Sonne, Mond und Sternen nach
Die meisten Tiere bewegen sich von A nach B – sei es, um Nahrung oder einen Partner zu finden, weil sie auf der Flucht oder auf einer Wanderschaft sind. Nicht immer scheinen diese Bewegungen zielgerichtet; ein flatternder Schmetterling wirkt nicht gerade, als hätte er ein Ziel oder würde sich an etwas orientieren. Dennoch nutzen Tiere ihre Sinne, um irgendwo hin zu gelangen, und das auf faszinierende Arten und Weisen…
„Draußen vor meinem Fenster fliegt eine Krähe vorüber. Scheinbar zielstrebig verfolgt sie eine Mission, die nur ihr selbst bekannt ist.“
Wenn wir wohin wollen, haben wir oft schon eine Karte bekannter Punkte im Kopf, an denen wir uns orientieren – oder nutzen technische Hilfsmittel, um an unbekannte Orte zu gelangen. Auch Tiere nutzen Hilfen: etwa einen inneren Kompass, der sich am Erdmagnetfeld orientiert, oder ihr enormes Gedächtnis, um bekannte Landmarken zu kartografieren und wiederzuerkennen. Manche wiederum nutzen die Sonne, den Mond und die Sterne, doch bei einigen ist es bis heute schlicht nicht bekannt, wie sie gerichtet an ihr Ziel gelangen.
Wie finden etwa Lachse ihren Geburtsort wieder, wenn sie bis zur Geschlechtsreife im Meer leben, anschließend Bächen und Flüssen hinaufschwimmen müssen, um am Ende völlig entkräftet dort ihren Laich abzulegen, wo sie selbst geschlüpft sind? Unglaublich erscheint auch die Reise des Monarchfalters von der bewaldeten Wildnis Kanadas südlich bis in die Kiefernwälder Mexikos – ein Kraftakt von immerhin über 3.000 Kilometern. Es erscheint uns unglaublich, wie diese und andere Arten ihren Weg finden, ohne vom Kurs abzukommen.
Glatt vorbei am Spannungsbogen
Es ist nur eines von vielen faszinierenden Leistungen, die die Tierwelt uns voraus hat. David Barrie, studierter Psychologe und Philosoph, hat vermutlich seine Leidenschaft zum Segeln zu diesem Thema gebracht, und er trägt diese Passion mit ein. Mit Begeisterung erzählt er unter anderem von den Fähigkeiten polynesischer Seefahrer, zwischen meilenweit entfernten Inseln zu navigieren, und zieht damit Parallelen mit Tieren, die ähnliche Wegmarken, wie die Sterne und den Stand der Sonne, nutzen. Allzu leicht lässt er sich dabei jedoch verführen, vom eigentlichen Thema abzuschweifen und vom inneren Kompass der Tiere zu berichten.
Dabei hat der Autor eine sehr angenehme Art, einen Sachtext mit Leben zu füllen, Anekdoten und eigene Erlebnisse mit einfließen zu lassen und so das Buch gut leserlich zu gestalten. Das eigentliche Problem ist das Ungleichgewicht zwischen dem, was wirklich interessant ist und dem, was eigentlich nur eine Anekdote (also kurz und präzise) sein sollte. Weitschweifig stellt Barrie Forschungen dar, indem er sich mehr auf die Durchführung der Experimente als auf deren Ergebnisse konzentriert.
Am Ende jedes Kapitels gibt es eine kurze Geschichte über faszinierende Fertigkeiten verschiedener Tiere, wie sie ihre Wanderungen bestreiten und zu navigieren wissen. Diese kurzen Darbietungen sind das Herzstück des Buches: lebendig, nah am Thema und Tier. Schade, dass der Autor dies nicht mehr ausgebaut und den restlichen Inhalt in komprimierter Form vorgestellt hat.
Fazit
David Barrie gibt einen interessanten Einblick in ein faszinierendes Gebiet der Ökologie der Tiere. Weniger Interessantes hat er großzügig ausgebaut, während zu kurz Gekommenes mehr hätte sein dürfen. Dadurch will kein Lesefluss entstehen.
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