Unfollow!

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Lea Gerstenberger
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Sachbuch-Couch Rezension vonMär 2020

Wissen

Die Autorin reichert ihre Beobachtungen an, indem sie einige Studien zitiert und auch Auszüge aus Interviews wiedergibt. Ihre Schlussfolgerungen erklärt sie in verständlicher und einfacher Sprache. Sie verstrickt sich aber zu sehr in Verallgemeinerungen und die Schilderungen belanglos anmutender privater Details.

Ausstattung

Das Buch ist übersichtlich gegliedert und enthält zumindest einige bibliographische Angaben. Besonders für junge Leser ist es dadurch sehr zugänglich.

Kritik am Geschäft mit der Selbstinszenierung

Instagram, ursprünglich als soziales Netzwerk zum Teilen spontaner Schnappschüsse und Fotos gedacht, hat sich zu einer der mächtigsten Medienplattformen der Gegenwart entwickelt. Egal ob Unternehmen, Nachrichtenportale oder Prominente, wer öffentlichkeitswirksam sein möchte, kommt daran kaum mehr vorbei. Hinter Abonnentenzahlen und „Likes“ steckt inzwischen ein ganzer Wirtschaftszweig der Selbstdarstellung, der das Berufsbild des Influencers hervorgebracht hat. Es ist vor allem dieses Modell, mit dem Nena Schink in „Unfollow!“ abrechnet und dabei aufzeigen möchte, „wie Instagram unser Leben zerstört.“

Nena Schink ist Journalistin, bei der Illustrierten Bunte als Society-Reporterin tätig und schreibt für Orange by Handelsblatt, ein Wirtschaftsmagazin für junge Menschen. Eine Kolumne dafür war auch der Startschuss für ihr Experiment, das schließlich in Buchform zu „Unfollow!“ wurde: Schink sollte im Selbstversuch eine möglichst erfolgreiche Influencerin werden – mit ihrer Darstellung auf Instagram also so viele „Follower“ und „Likes“ generieren, dass sie lukrative Werbe-Deals oder zumindest kostenlose Produkte erhält, die sie dann auf dem Kanal mit persönlicher Note bewerben kann. Es handelt sich dabei um eine Strategie, bei der es nicht wirklich auf Inhalte ankommt. Das Buch bewegt sich dabei irgendwo zwischen Erfahrungsbericht und Ratgeber, wobei die Autorin stets betont, dass sie ihre subjektiven Eindrücke beschreibt. Allerdings spart sie in keinem der drei Teile, „Mein persönliches Erwachen“, „Die Welt der Influencer“ und „Auf der Suche nach der perfekten Instagram-Lösung“ an Verallgemeinerungen.

Selbstversuch als Influencerin

Im ersten Teil schildert die Autorin ihren Werdegang als Influencerin und die negativen Folgen für ihr Privat- und Familienleben: Instagram entwickelte sich zu einer Art Sucht, sie merkte kaum, wie sie nur noch oberflächlicher Bestätigung und inszenierten Fotos hinterherjagte und der Aufmerksamkeitsökonomie erlag. Nach verschiedenen Erlebnissen und einem Digital-Detox-Wochenende folgte schließlich die Läuterung. Schink beschreibt nachvollziehbar, wie sie sich mehr auf die Fotos als die wirklichen Erlebnisse konzentrierte, die Mechanismen von Instagram für mehr Abonnenten ausnutzte und die teils kritikwürdigen Rollenbilder und Ideale, die von Lifestyle-Influencern vorgelebt werden, zunächst nicht hinterfragte. Es waren Freunde und Familienmitglieder, die sie dazu anregten, es schließlich doch zu tun. Die ausführlichen und etwas holzschnittartigen Dialoge, die sie dazu wiedergibt, hätten aus meiner Sicht kürzer ausfallen können – Schinks familiärer und sozialer Hintergrund ist nur bedingt relevant für die Quintessenz dieses Abschnitts.

Wie das Geschäftsmodell rund um die Influencer funktioniert und welcher Lifestyle, geprägt von Reisen, Konsum und Luxuswaren, dabei propagiert wird, erklärt die Autorin im zweiten Teil nachvollziehbar und zutreffend; gelegentlich zitiert sie Studien oder gibt Ausschnitte aus Interviews wieder. Auch Instagram-Unkundige erhalten hier einen Einblick in das Business, das vorrangig aus Produktplatzierungen, phatischer Kommunikation und einer bloß vermeintlichen Nähe besteht – die (größtenteils weiblichen) Influencer suggerieren eine Nähe zu ihren Followern und inszenieren ihr Privatleben so, dass das Publikum die Darstellung für authentisch und persönlich hält. Die berechtigte Kritik an diesem Geschäftsmodell käme sicherlich auch bei den Lesern an, wenn Schink die Influencerinnen nicht pauschal-abwertend als „Bloggerinas“ bezeichnen würde. Ein Stück weit inszeniert sie sich damit wieder selbst, nämlich als diejenige, die im Gegensatz zu allen anderen hinter die Fassade blickt, und erschwert es mit solchen Begriffen, von ihrer persönlichen Erzählung zu abstrahieren.

Mehr Differenzierung wäre glaubwürdiger gewesen

Ihre Feststellungen und ihre Kritik am Influencer-Modell sind zwar berechtigt, die Autorin ordnet dies allerdings nicht als lediglich eine (wenn auch vorherrschende) Nutzungsweise von Instagram ein. Sicherlich befördern die Funktionen der Plattform Probleme wie den Fokus auf Selbstinszenierung und die Sucht nach Aufmerksamkeit, Schink hätte jedoch viel deutlicher darauf eingehen können, dass die Umsetzung letztlich in der Hand der Nutzer selbst liegt. Nur an sehr wenigen Stellen im Buch klingt das Potenzial an, Instagram auch abseits der Lifestyle-Influencer zu verwenden und sich dort über spezifische Inhalte auszutauschen. Erst die Schlussfolgerungen Schinks deuten darauf hin, dass sie dies doch erkennt.  Sie zieht nämlich für sich selbst keineswegs das (zu erwartende) Fazit, Instagram den Rücken zu kehren, sondern sie möchte lediglich bewusster und weniger inszeniert auftreten. Außerdem empfiehlt sie verschiedene Kanäle, die sich mit Feminismus, Umwelt oder politischen Nachrichten befassen. Dieses ausgewogenere Ergebnis lässt sich allerdings schwer mit dem einseitigen Tenor des gesamten restlichen Buches zusammenbringen, dem es an Trennschärfe fehlt.

Schink schreibt enorm zugänglich, in kurzen Sätzen und einfacher Sprache. Damit ist die Lektüre nicht anspruchsvoll, allerdings auch nicht sehr kurzweilig, wozu die etwas übertrieben anmutenden Metaphern und Sprachbilder beitragen („Werde zum Influencer deines eigenen Lebens“). Vermutlich ist „Unfollow!“ vor allem an junge Menschen und Heranwachsende gerichtet, sodass die Niedrigschwelligkeit ihren Zweck hat. Aus der Gestaltung des Buches geht dies aber nicht unbedingt hervor.

Fazit:

Jugendliche und absolute Medien-Neulinge können aus Schinks Erfahrungen und ihren klaren Schilderungen vermutlich Lehren ziehen, um ihr Selbstbild und die Tücken des Influencer-Business auf Instagram zu hinterfragen. Alle anderen werden aus „Unfollow!“ wenig Neues erfahren.

Unfollow!

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