Sprache ist, was du draus machst!

Sprache ist ebenso alltäglich wie besonders, hilft uns, mit anderen zu kommunizieren, ist mal leicht verständlich, manchmal kompliziert und schwer. Sie verrät etwas über uns als Mensch und über unsere Herkunft. Ohne Sprache wäre die Welt im wahrsten Sinne des Wortes nicht denkbar. Sie ist Ausdrucksmittel, Kunstform und die Grundlage unserer Kommunikation. Vor allem ist Sprache aber vielfältig: ob in den Sozialen Medien, im Rahmen des gendersensiblen Schreibens, als Mittel und Ausdruck (politischer) Macht oder durch Künstliche Intelligenz generiert. Sprache unterliegt dabei nicht nur einem ständigen Wandel, sondern wird in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand des öffentlichen Diskurses und bietet im Alltag immer wieder Anlass zu Kontroversen. Längst überholt scheinen die Zeiten, als Sprache nur für Linguisten interessant erschien.

Der bekannte und beliebte Sprachwissenschaftlicher Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker greift in seinem aktuellen Sachbuch Alltagsbeobachtungen auf, spürt ihnen nach und lässt die Leserschaft in leicht verständlicher Weise an seiner wissenschaftlichen Perspektive teilhaben. Dies hilft nicht nur beim Verständnis der aktuellen Debatten, sondern lässt Sprache dadurch als das erscheinen, was sie ist: ein Spiegel der Gesellschaft.

Der TikTok-Professor

Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker ist Inhaber der Professur für Angewandte Linguistik an der TU Dresden. Er forscht u. a. zu den Zusammenhängen von Sprache und Politik, Fußball und Fußballfankulturen sowie Sprache und Medizin. Gemeinsam mit dem Sportjournalisten Tobias Escher, der ebenfalls im Mai seinen sehr lohnenswerten Titel „Die Weltmeister von Bern. Biografie einer Jahrhundertelf“ veröffentlichte, sowie dem Fußballexperten und -trainer Martin Rafelt analysiert er im Podcast „Die Phrasendrescher“ seit März 2021 Fußballsprache und -phrasen. Für seinen TikTok-Kanal zur Linguistik (@fussballlinguist) wurde er 2023 mit dem Preis „Die Goldenen Blogger“ ausgezeichnet. Er beschäftigt sich dabei in seinen Kurzvideos in unterhaltsamer und kurzweiliger Weise mit sprachlichen Besonderheiten und Auffälligkeiten.

TikTok-Video im Buchformat?

Simon Meier-Vieracker unternimmt nun den Versuch, die Inhalte seiner TikTok-Videos in gewisser Weise zu „verschriftlichen“. Sein Kanal diene dabei „als Inspirationsquelle für das Buch und eine Art Trainingsplatz“. Natürlich hat das vorliegende Sachbuch den Vorteil, dass der Autor diesmal weiter ausholen und bei aller notwendigen Verständlichkeit wissenschaftlicher arbeiten kann, indem er seine Positionen auch mit Quellen bzw. Anmerkungen versieht und auf Forschungsdaten verweist. Obwohl das Sachbuch ebenso wie die Videos eher eine jüngere Leserschaft ansprechen will, besteht vielleicht genau hier das Problem - im Format. Der Autor muss sich noch mehr auf den Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Verständlichkeit einlassen. Die Frage ist aber: Wollen sich die TikTok-User tatsächlich tiefer gehend mit Themen wie „Sprachwandel“ oder „politischen Sprachgebrauch“ beschäftigen? Dass dies sehr lohnenswert ist, macht der Autor allemal deutlich. Aber man muss sich darauf einlassen.

Für alle, die dies machen, ist die Auseinandersetzung mit den Themen äußert gewinnbringend, auch wenn ein populärwissenschaftliches Buch sicherlich nicht ganz ohne Risiko ist. Das Ziel des Buches ist aber ein ganz anderes: alltägliche Sprache sichtbar zu machen, aufzuzeigen, wie faszinierend, vielfältig und komplex sie ist, wie Sprache durch das Mitwirken aller lebendig bleibt und letztendlich auch dadurch ein Spiegel der Gesellschaft ist. Dies gelingt Meier-Vieracker vor allem in den Kapiteln „Schreiben in Sozialen Medien“, „Gendersensible Sprache“ und „Chatbots, Künstliche Intelligenz & Co.“ wunderbar.

Angst vor Sprachverfall?

Das Besondere am Buch ist, dass Meier-Vieracker versucht, den Blick der Leserschaft zu weiten, ihn auch in andere Richtungen zu lenken und die Voreingenommenheit und zahlreichen Befürchtungen der ewig Skeptischen zu relativieren, wenn nicht sogar aufzuheben. Dies betrifft vor allem die ständig schwelende Sorge vor dem Verfall der deutschen Sprache durch die verstärkte Kommunikation über die Social Media (hier darf man im Detail aber gerne auch unterschiedlicher Meinung zum Autor sein) oder der gendersensiblen Sprache. Gleichzeitig möchte der Autor aber auch Interesse für die Sprache und ihre Wandelfähigkeit wecken sowie die Vorgehensweise in der Linguistik erläutern. Ein Buch, das geradezu zu einem vertiefenden Selbststudium (auch mit Hilfe der angefügten sprachwissenschaftlichen Ressourcen, Anmerkungen und dem Glossar) einlädt. Denn Sprache ist vieles - nur nicht langweilig.

Fazit

Auf unterhaltsame, kurzweilige Weise versteht es Meier-Vieracker nicht nur für Sprachforschende, Deutschlehrkräfte oder Studierende Phänomene der Sprache und der Kommunikation leicht verständlich in seinem populärwissenschaftlichen Buch aufzuzeigen. Dabei geht es ihm keineswegs um Belehrung, sondern darum, Interesse zu wecken. Und genau dies gelingt ihm.