„Game of Thrones“ lässt grüßen
Nicht nur der Titel des Buches erinnert an die populäre Serie, sondern auch der Inhalt wird dem Vergleich gerecht und beweist, dass die reale Vergangenheit dem Fantasy-Blockbuster in nichts nachsteht.
Die Plantagenet-Dynastie gehörte zu den wichtigsten Geschlechtern des europäischen Mittelalters und prägte über acht Generationen und fast zweihundertfünfzig England und das übrige Europa ganz entscheidend. Die wechselvollen Jahrhunderte ihres Glücks und Unglücks – Fortunas Rad ist wankelmütig – haben dementsprechend alle Zutaten für eine spannende Geschichte zu bieten: Krieg, Familienzwist, Intrigen, Mord, Religionskonflikte und Heldensagen. Es war die geistige Nachfolge des sagenumwobenen König Artus, in der die Plantagenets ein geeintes Britannien schaffen wollten. Da fällt es nicht schwer, Parallelen zum Kampf um den eisernen Thron und die Intrigen der Lannisters, Targaryens und Starks zu ziehen.
Ein Sachbuch mit Unterhaltungsanspruch
Dan Jones, seinerseits bekannt aus zahlreichen TV-Dokumentationen über die englische Geschichte, weiß die Ereignisse lebendig und unterhaltsam zu verpacken und den Leser damit (fast) wie in einem Roman zu fesseln. Der Ton ist meist locker und spart – hier scheint der Fernsehmoderator durch – nicht an Humor, womit Jones das Geschehen aus moderner Sicht kommentieren und einordnen kann. Dennoch bleibt er auf der Ebene des wissenschaftlichen Stils, liefert die nötigen Hintergrundinformationen und erläutert die Zusammenhänge in einer Weise, die sie auch für den unbedarften Leser nachvollziehbar werden lässt.
Jones berichtet chronologisch und an den Biographien orientiert von der reichhaltigen Geschichte der Dynastie. Beinahe cineastisch ruft er dem Leser den dramatischen Untergang des „Weißen Schiffs“ vor Augen, bei dem nicht nur eine junge Generation englischer Adeliger, sondern auch der einzige legitime Erbe des Königs in den Fluten ertrank. An das populäre Geschichtsbewusstsein schließen vielleicht die umtriebige Eleonore von Aquitanien, Richard Löwenherz und sein Bruder Johann Ohneland an: Allein ihre Lebensgeschichten hätten ein Buch füllen können. Weit über die Plantagenets hinaus wirkte die Magna Charta, von der Jones ebenso erzählt wie vom Hundertjährigen Krieg und der Absetzung Richards II. im Jahr 1399. Sie ebnete den Weg für die Rosenkriege, die wiederum in den Aufstieg eines anderen notorischen Geschlechts mündeten: den Tudors, die bestrebt waren, jeden noch verbliebenen Tropfen Plantagenet-Blut auszulöschen.
Besser als Fantasy
Es geht naturgemäß viel um Kriege, politische Schachzüge und die Handlungen der jeweiligen Herrscherpersönlichkeiten, die Jones möglichst differenziert zu bewerten versucht. Jedoch handelt "Spiel der Könige" nicht nur von blankgezogenen Schwertern, großen Schlachten und politischen Meuchelmorden, sondern auch von den Aushandlungsprozessen, welche die Monarchie und ihre Institutionen prägten und den Wandel des Königtums abbilden. Auch Fragen der Frömmigkeit, des Alltagslebens und der höfischen Kultur kommen nicht zu kurz und vervollständigen den umfassenden Eindruck, den wir als Leser von der Zeit der Plantagenets erhalten – in all ihrer Pracht und ihrer Grausamkeit.
Dan Jones weiß in dieser fundierten Darstellung stehts, wovon er spricht, auch wenn er seine Erzählung absichtlich auflockert und mit Anekdoten oder humorvollen Bemerkungen würzt. Ein umfangreicher Anhang ergänzt den Inhalt und hält zahlreiche Karten, Stammbäume, Zeittafeln, ein Register und eine kommentierte Bibliographie bereit. Dadurch ermöglicht Jones eine sehr gute Orientierung in den Quellen und der Sekundärliteratur. Etwas mehr von dieser Quellenkritik hätte man sich allerdings bereits im Text gewünscht, der leider auch keine Fußnoten enthält. Direkte Verweise hätten Jones‘ Kenntnisse noch nachvollziehbarer gemacht. So lädt das Buch eher dazu ein, sich ganz der spannend erzählten Geschichte zu widmen und erst im Nachgang noch tiefer einzutauchen und sich dem weiterführenden Material zu widmen. Es bleibt populärwissenschaftlich und damit zugänglich, hält aber ein sehr hohes Niveau.
Fazit:
Ein Sachbuch, das gleichzeitig ein Pageturner ist und trotzdem historisch fundiert bleibt: Dan Jones gelingt dieser Balanceakt mit „Spiel der Könige“ ganz hervorragend. Wer glaubt, dass die Beschäftigung mit Geschichte staubtrocken und langweilig ist, kann sich hier (jenseits von Westeros) vom Gegenteil überzeugen – der Fernseher bleibt da ganz von selbst aus.
Deine Meinung zu »Spiel der Könige«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!