Queen of Our Times

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Carola Krauße-Reim
8101

Sachbuch-Couch Rezension vonFeb 2023

Wissen

Auf über 500 Seiten gibt es viel Interessantes zu lesen, allerdings sind nur wenige Neuigkeiten oder tiefere Einblicke darunter

Ausstattung

Umfangreiche bibliographische Angaben, aber nur sehr wenige Fotos, von denen die allermeisten schon in der Presse veröffentlicht wurden

Viel Interessantes, wenig Neues

Im Rahmen des Platin-Thronjubiläums der Queen 2022 wurden zahlreiche Biografien und andere Sachbücher veröffentlicht. Alle erinnerten an die vielen Begebenheiten in den vergangenen 70 Jahre der Regentschaft. Es gab freudige und schöne Momente, aber auch Krisen und Trauer. Auch Robert Hardman hat sich in die Riege der Biografen eingereiht, doch, wie auch alle anderen, konnte er nur von Vergangenem berichten. Der Tod von Elizabeth II und der aktuelle Wirbel um die Biografie ihres Enkels Harry lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des englischen Originals im März 2022 noch in unbekannter Zukunft.

Ein Kenner berichtet

Robert Hardman ist einer der wenigen Autoren, Journalisten und Dokumentarfilmer, die persönlichen Kontakt zum engeren Umfeld der britischen royalen Familie unterhalten. Daher konnte man sehr gespannt sein auf den Inhalt seines Rückblickes auf das lange Leben von Queen Elizabeth II. Zudem wurden ihm die Royal Archives geöffnet, die persönliche Dokumente der königlichen Familie und aller Abteilungen ihrer Haushalte aufbewahren. Bisher wurden nur wenige dieser Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die meisten befinden sich weiterhin hinter verschlossenen Türen im Round Tower des Windsor Castle. Doch auch Hardman scheint nur sehr begrenzten Zugang erhalten zu haben, denn laut der Bibliografie zu seinen Ausführungen wurden neben Zitaten aus dem Kriegstagebuch von George VI, dem Vater Elizabeths, und dem ihrer Großmutter Queen Mary, nur wenige andere Dokumente aufgenommen.

Dennoch war die Recherche des gut vernetzten Autors sehr umfangreich, was die „Ausgewählte Bibliografie“ im Anhang des Buches zeigt. Zudem führte er zahlreiche Gespräche und Interviews mit Personen der königlichen Familie oder in deren engem Umfeld. So sprach er u.a. mit Prinzessin Anne, David Cameron und interviewte zahlreiche gewollt namentlich Ungenannte. Aber es ist offensichtlich, dass auch er nur das erfahren hat, was die königliche Familie oder andere der Öffentlichkeit zugänglich machen wollten. Darüber hinaus dürfte sich auch Hardman in Bezug auf Interna lediglich innerhalb von Mutmaßungen bewegen, was er aber nur sehr selten tut. Er hält sich an Fakten oder Aussagen aus erster Quelle und liefert somit eine Biografie ab, die sich neben geschichtlichen Tatsachen auf fundierte Kenntnisse stützt und nicht auf reißerische und publikumswirksame Annahmen.

Chronologisch durch viel Jahrzehnte

Natürlich dürften die Eckpfeiler der Biografie Elizabeth II weitgehend bekannt sein. Aber Hardman beschreibt dieses Leben so anschaulich und auch spannend, dass man den Eindruck hat, alles neu zu erfahren. Zwangsläufig berichtet er viel Bekanntes, aber immer dürften kleine eingestreute Neuigkeiten zu finden sein, die vielleicht manches bisher angenommene verifizieren. So z.B. das als Distanz zum Volk empfundene Verhalten der Familie nach dem Tod von Diana oder die Umstände der Liebesbeziehung von Princess Margaret zu Oberst Townsend.

Hardman geht dabei streng chronologisch vor – von der Geburt der Prinzessin bis hin zum Platin Jubiläum der Königin. Manchmal hat man fast den Eindruck, jede Minute des langen Lebens der Queen präsentiert zu bekommen, so intensiv befasst sich der Autor mit der Geschichte, der Familie, aber vor allem auch mit der Arbeit der „Firma“. Die täglichen Vorkommnisse werden dabei genauso eingehend beleuchtet, wie die Krisen. Vom Staatsempfang bis zur Suezkrise oder den Schüssen während der Geburtstagsparade wird ebenso spannend berichtet, wie von diversen Grillevents in Schottland oder den Problemen mit allzu kleptomanischen Übernachtungsgästen im Buckingham Palace. Hardman zeigt, wie sich die Royals immer wieder den sich ändernden Anforderungen anpassen mussten. Er liefert damit nicht nur deren Geschichte, sondern auch die der ganzen Welt – denn Queen Elizabeth II ist eine wirkliche Jahrhundertzeugin, die zwar neutral aber immer involviert war.

Die ewig Neutrale

Queen Elizabeth war zur Neutralität verpflichtet. Aber natürlich hatte sie eine eigene Meinung. Manchmal vermeinte die Öffentlichkeit kleine Hinweise auf diese in ihrer Kleidung oder ihren Accessoires zu finden, doch auch das ist meistens reine Mutmaßung. Wir wissen nur die definitiven Fakten, die uns die royale Familie wissen lassen will – alles andere ist ungewiss. Daher weist Hardman mehrmals darauf hin, dass die sehr beliebte Serie „The Crown“ keine Dokumentation ist, sondern wirklich nur als das gesehen werden sollte, was sie ist – Unterhaltung mit geschichtlichem Hintergrund. Doch sie befindet sich in weiten Teilen nicht nur geschichtlich auf Abwegen, sondern vor allem in der Zeichnung der Protagonisten und ihrer persönlichen Umstände. In seinen Ausführungen stellt Hardman, immer auf Fakten fußend, so manches richtig und dürfte damit zeigen, dass Neutralität und gewollt schützende Distanz mehr als einen Preis haben.

Bedauerliche Fehler

Leider leidet das Lesevergnügen, wenn man immer wieder auf sehr bedauerliche inhaltliche Fehler stößt. Ob diese auch in der englischen Originalausgabe zu finden sind, den vier Übersetzerinnen unterliefen und außerdem dem Lektorat nicht auffielen, kann man als Leser nicht sagen. Aber dass Prinzessin Anne, die Princess Royal, wiederholt als Kronprinzessin (z.B. S. 281) bezeichnet oder Willem Alexander mehrmals als König von Holland betitelt wird (z.B. S. 426), sind schon ganz derbe Schnitzer. Wenn dann die königliche Jacht „Britannica“ (S.123) heißt oder die St. George‘s Chapel in Windsor zur St. James‘s Chapel (S. 331) wird und Namen unvollständig nur als „Earl“ und „Countess“ (S. 498) angegeben werden, schlägt sich das leider auch auf die Glaubwürdigkeit des restlichen Textes nieder. Enttäuschend sind auch die in der Mitte des Buches gebündelt abgebildeten Fotografien. Bei einem solchen Kenner der Szene mit zudem guten Kontakten, hätte ich zumindest unbekannte Aufnahmen erwartet. So aber sieht man nur, was schon zum Übermaß zu sehen war. Alle, bis auf eine, sind es Fotos, die in unzähligen diversen Veröffentlichungen zu finden sind oder als offizielle Aufnahmen von unterschiedlichen Events dienen.

Fazit

Trotz kleiner Schwächen eine gelungene Biografie einer Jahrhundertzeugin, die wohl jedem ein Begriff sein dürfte. Robert Hardman porträtiert nicht nur Queen Elizabeth II, sondern lässt uns kurzweilig und fesselnd an ihrem Leben teilhaben, das Höhen und Tiefen aufwies und einen offiziellen und einen privaten Teil hatte. Für alle Royal-Fans und Geschichts-Interessierte die wahrscheinlich beste Biografie, um sich dieser so berühmten und dennoch distanziert unbekannten Frau zu nähern.

Queen of Our Times

Robert Hardman, Lübbe

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