Die Geschichte der Palästinenser seit 1948
Die Beziehung Deutschlands zu Israel ist maßgeblich geprägt durch die grauenhaften Ereignisse der Shoa. Da ist es nicht verwunderlich, dass es zahlreiche populärwissenschaftliche Veröffentlichungen zur Geschichte der Juden und dem Staat Israel gibt. Das Volk der Palästinenser und ihr Schicksal finden bisher hingegen höchstens in wissenschaftlichen Arbeiten Beachtung. Dadurch ist das Bild der Palästinenser in der breiten Öffentlichkeit hauptsächlich durch Klischees geprägt. Diesen Umstand will die Autorin jetzt ändern. Bereits in ihrem viel beachteten Buch „Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven“, das sie 2016 zusammen mit Jan Busse geschrieben hat, zeigt sie ihr umfangreiches Wissen zu diesem Thema. Jetzt widmet sie sich der palästinensischen Geschichte von der Gründung des Staates Israel 1948 bis heute.
Ein Volk ohne Staat
Mit der israelischen Unabhängigkeitserklärung am 15. Mai 1948 wird der Staat Israel gegründet, was eine Vertreibung der seit Jahrhunderten dort ansässigen Palästinenser zur Folge hat. Während der Nakba (Katastrophe) müssen Hunderttausende ihre Häuser, Felder und Heimat verlassen. Sie verstreuen sich über die ganze Welt, finden vor allem Unterschlupf in Lagern in Jordanien, dem Libanon und Syrien. Asseburg erklärt die Vorgeschichte, die zu dieser Katastrophe führte, zeigt die Tragik und die Hilflosigkeit der Palästinenser und ihren darauffolgenden, zunächst bewaffneten, Kampf um Aufmerksamkeit, Anerkennung und einen eigenen Staat. Bis heute sind die Palästinenser ein Volk ohne Staat, denn nur ganz wenig Territorium steht unter ihrer vollständigen Verwaltung. Die Auseinandersetzungen mit Israel ebben nicht ab, führten zu zwei Intifadas und sind gerade heute aktueller denn je, wenn in Ost-Jerusalem Häuser enteignet werden, eine meterhohe trennende Mauer errichtet wird oder immer mehr jüdische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet entstehen.
Fundierte und dennoch sensible Darstellung
Asseburg, die selbst viele Jahre in dieser Region gelebt hat, verfügt über ein umfangreiches Wissen zum Nahostkonflikt, aber auch über die alltäglichen Schwierigkeiten, die sich für Jedermann vor Ort daraus ergeben. In einem Buch über die Palästinenser ergibt sich zwangsläufig eine Tendenz zum palästinensischen Narrativ, aber dennoch basiert das Buch auf extrem gut recherchierten Fakten. Die Autorin schafft es, diese nicht trocken herunter zu erzählen, sondern schildert sie sensibel, sehr interessant und damit intensiv und fesselnd. Chronologisch führt sie die Leserschaft durch die Tragödien der palästinensischen Geschichte, zeigt die Problematik des bewaffneten Widerstandes; die Entstehung der PLO, Hamas und Fatah; die Annäherung zu Israel während der Rabin-Ära; die Rückschläge und vor allem die Bedeutung und Auswirkungen dieses Ganzen für die Bevölkerung. Asseburg schafft es, das klischeebehaftete Bild zu durchbrechen, lässt einen nahezu neutralen Blick zu und gibt dem Leser damit die Chance den Nahostkonflikt aus einer anderen Perspektive, als der oft vorherrschend israelisch geprägten, zu sehen.
Porträts und ein informativer Anhang
Neben der Geschichte war es der Autorin ein Anliegen, Palästinenser vorzustellen, die diese maßgeblich geprägt haben, aber bei uns kaum wahrgenommen wurden. In Kurzporträts zeigt sie Politiker, wie Hanan Aschrawi, Scheich Ahmed Jassin und natürlich Jassir Arafat, aber auch den Literaturwissenschaftler Edward W. Said oder den Dichter Mahmud Darwisch. Diese Porträts sind ebenso in den Text eingebunden, wie zahlreiche Karten und Fotos, die das Verständnis erleichtern. Daneben ist der Anhang sehr ausführlich. Er enthält nochmals diverse erklärende Tabellen, eine Zeittafel, eine Liste von Abkürzungen und vor allem Hinweise auf „Palästinensische Literatur, Filme und Webseiten“ und die enorm umfangreiche verwendete Literaturliste, die bei eventuell verbleibenden Fragen garantiert weiterhelfen kann.
Fazit
Mit Palästina und die Palästinenser“ hat Muriel Asseburg ein Grundsatzwerk geschaffen, das nicht nur für Laien überaus informativ und lesenswert sein dürfte. Populärwissenschaftlich verfasst, fußt es auf sehr gut recherchierten, umfangreichen Fakten, die der Leserschaft die Geschichte des palästinensischen Volkes ebenso fundiert, wie sensibel und überaus spannend näher bringen.
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