Meisterklasse

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Thomas Gisbertz
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Sachbuch-Couch Rezension vonApr 2022

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Leider kein Sachbuch der Meisterklasse

Als Bestsellerautorin von über zwanzig Romanen weiß Elizabeth George genau, was dazu gehört, ein erfolgreiches Buch zu schreiben. In dieser „Meisterklasse“ über die Kunst des Schreibens möchte die US-amerikanische Autorin den Leser*innen nicht nur wertvolle Anleitungen und Ratschläge geben. Sie gewährt ihnen darüber hinaus anhand einer genauen Beschreibung der Arbeit an ihrem eigenen Roman „Doch die Sünde ist scharlachrot“ (2008) einen sehr privaten Einblick in die Werkstatt der bekannten Krimi-Autorin. Es sollte ein einzigartiges Leseerlebnis sowohl für Fans der Autorin und angehende Schriftsteller*innen als auch für jede(n) Literaturliebhaber*in werden - aber der Versuch gelingt nur bedingt.

Der Weg zum Roman

Wer träumt nicht vom eigenen Roman, der die Bestsellerlisten stürmt. Von der Idee bis zur Umsetzung ist es aber ein langer Weg. Letztendlich bleibt es zumeist bei einem Vorhaben, auch wenn man vielleicht damit liebäugelt, im nächsten Sommerurlaub garantiert mit dem Projekt zu starten - um es dann jedoch vorzuziehen, am Strand zu liegen, sich mit Freunden auf ein Bier zu treffen oder den Grill zu beaufsichtigen, statt sich in schwülwarmer Luft an den Schreibtisch zurückzuziehen, um verzweifelt stundenlang mit Worten zu ringen.

Da klingt es zu verführerisch, wenn Elizabeth George eine der bekanntesten Kriminalautorinnen der Gegenwart, die mit ihren Inspector-Lynley-Romanen regelmäßig die Bestsellerlisten stürmt, einem mit hilfreichen Tipps unter die Arme greifen möchte. Das Problem ist leider, dass Georges Stärke das Schreiben von Kriminalromanen zu sein scheint - nicht das von Sachbüchern. Denn die „Meisterklasse“ ist eine zeitweise doch recht zähe, langatmige Angelegenheit und erscheint insgesamt wenig erhellend, da viele „Techniken des Schreibens“ bereits bekannt sein sollten. Da verwundert es kaum, wenn die Autorin im Nachwort klarstellt: „Von meiner Arbeit erwarte ich, dass sie mich fordert und dass sie mich erfüllt. Spaß ist für mich etwas Flüchtiges.“ Disziplin und Konzeptdenken statt Leidenschaft und literarisches Talent. Klingt irgendwie ernüchternd, auch wenn dies sicherlich der Alltag vieler Autoren sein dürfte.

Leider nur Altbekanntes

„Meisterklasse“ ist eine Fortsetzung ihres 2004 erschienen Sachbuches „Wort für Wort - Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben“. Aber nach vielen Jahren als Dozentin für „Kreatives Schreiben“ und nach zahlreichen Vorträgen auf Autorenkonferenzen hielt es George für eine gute Idee, ein weiteres Handbuch zu verfassen, in dem sie am Beispiel einer ihrer Romane erklärt, wie man das Schreiben eines Kriminalromans angeht.

Den Ausgangspunkt für ihr Sachbuch bildet die Kritik der damaligen Cheflektorin ihres Verlags an Georges Manuskript zum zweiten Lynley-Roman „Gott schütze dieses Haus“. Die Ortsbeschreibungen seien nicht detailliert genug und den Figuren fehle es an Tiefe. Die Auseinandersetzung damit lieferte George die ersten beiden Elemente für das, was sie seitdem als ihren „Prozess“ bezeichnet. Diesen Weg versucht sie anhand der einzelnen Kapitel für die Leser*innen verständlich zu machen. Er beginnt mit der Recherche und der Entwicklung der Figuren, führt über die Sprache bzw. den Grundlagen guten Erzählens sowie wichtigen Entscheidungen des Schreibprozesses bis hin zur Auflösung und dem eigenen Lektorat des Buches. George betont aber gleichzeitig, dass man als Leser*in des Buches für alles offen sein müsse und seinen eigenen Weg zu gehen habe: „Beherzigen Sie, was Ihnen gefällt, und vergessen Sie den Rest.“

Seinen Weg finden

Die Autorin zeigt auf, dass Schreiben ein Handwerk ist, das viel von einem fordert und Ausdauer verlangt. Ähnlich beschreibt es Stephen King in seinen Memoiren „Das Leben und das Schreiben“ (2011), wenn er das Schreiben mit einem Werkzeugkasten vergleicht. Das vorliegende Buch wirkt allerdings so, als hätte George lediglich ihre damaligen Arbeitsnotizen hier wiedergegeben. So interessant das ein oder andere Kapitel auch sein mag - wirklich neue Erkenntnisse liefert das Buch nicht. Vielmehr zeigt es die persönliche Arbeitsmethode von Elizabeth George auf. Warum innerhalb der Kapitel immer wieder Übungen für den Leser angeführt werden, die verständlicherweise ins Leere laufen müssen, da sie keiner bewerten kann, weiß nur die Autorin selbst.  Bereiche wie die Entwicklung von Romanideen oder das Plotting werden nahezu vollständig ausgespart. Stattdessen gibt es seitenweise Auszüge und Belegstellen aus ihrem Vergleichsroman.

Fazit

„Meisterklasse“ erlaubt Fans von Elizabeth George sicherlich einen interessanten Blick über die Schulter der Bestsellerautorin. Das Buch liefert allerdings für angehende Schriftsteller kaum neue Erkenntnisse. Vielleicht sollte man daher in Bezug auf das eigene Schreiben eher den Ratschlag von William Faulkner beherzigen: „Bringen Sie es zu Papier. Wagen Sie etwas. Es mag schlecht sein, aber es ist die einzige Möglichkeit, etwas Gutes zustande zu bringen.“

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