Spektakuläre Fotos und enormes Fachwissen
Insekten sind allen anderen Lebewesen in vielerlei Hinsicht überlegen. Obwohl sie so klein sind, regieren sie die Welt und machen sie sich untertan. Doch warum sind sie so erfolgreich und haben sich seit Jahrmillionen kaum verändert? Biologe Ulrich Schmid baut Faszination auf, nimmt Ekel und Ängste und beantwortet Fragen, die man sich vorher nicht zu stellen getraut hat – vielleicht aus Angst, zugeben zu müssen, dass Insekten doch interessant sein könnten …
„Die Welt funktioniert nicht ohne Insekten.“
Es ist schon merkwürdig, warum ausgerechnet die Kleinsten unter den Tieren die größten Ängste auslösen. Liegt es an der Vorstellung von Superschwärmen, wie sie Heuschrecken etwa bilden? An der Angriffslust der Wespen, die viele fürchten? Oder an der Schwarmintelligenz, die Ameisen und Bienen auszeichnet? Schmiedet die Stubenfliege gerade etwa einen Plan, während sie ihre Vorderbeinchen aneinander reibt? Was hat die Mücke wirklich mit dem Blut vor, das sie mir in der Nacht zuvor abgezapft hat? Man könnte schon auf merkwürdige Gedanken kommen; das zeigt aber auch, dass Insekten uns einfach suspekt sind. Nicht zuletzt hat es auch einen Grund, warum sie Protagonisten einiger klassischer Horrorfilme sind.
Da fällt es schon schwer, von Faszination zu sprechen, wenn man sich mit Insekten beschäftigen will. Andererseits sind aber auch viele Sympathieträger dabei: Schmetterlinge, Bienen und Marienkäfer etwa. Was ging nicht für ein Aufschrei durch die Welt, als das Bienensterben publik wurde? Plötzlich engagieren sich Millionen Menschen für den Insektenschutz. Pestizide sorgen nachweislich für einen enormen Biodiversitätsverlust unter den Krabblern. Die berühmte Krefelder Studie hat es auf den Punkt gebracht: Den Insekten geht es schlechter als je zuvor. Wer kennt sie nicht, die Geschichten der Großeltern oder Eltern, die noch davon zu berichten wussten, wie sie nach der Autobahnfahrt die Windschutzscheibe abkratzen mussten, weil sie voller toter Insekten waren. Heutzutage ist daran nicht mehr zu denken.
Vielleicht ist es also an der Zeit, mehr über die Insekten zu lernen und anfangs mühsam, aber mit zunehmendem Wissen Begeisterung aufzubringen für eine wirklich spannende und unterschätzte Tiergruppe.
Eintauchen ins Buch
In 6 Kapiteln stellt der Biologe Ulrich Schmid die Welt der Insekten vor: „Planet der Insekten“, „Panzer, Facettenaugen, sechs Beine und vier Flügel“, „Aus der Haut fahren: Insekten-Jugend“, „Sex“, „Supersinne“ und „Nichts ist sicher“. Auf etwa 200 Seiten erfährt man dabei allerlei Wissenswertes, und das auf fachlich hohem Niveau. Dabei führt der Autor behutsam für die noch Vorsichtigen in das Buch ein: Biene Maja als Beispiel in der Populärkultur, Marienkäfer als Glücksbringer, wunderschöne Falter auf Forschungsreisen oder eine zarte Schwebfliege auf einer gelben Blüte. Dieser Start ist angenehm und dank der freundlichen Bilder auch nicht abschreckend.
Im nächsten Kapitel muss man dann aber stärker sein, denn die Bilder sind allesamt von sehr guter und hochauflösender Qualität. Dadurch gelingt es, den Insekten sehr nahe zu kommen und Nahansichten von Komplexaugen, Mandibeln und Stechwerkzeugen zu erhalten. Auf diese Weise wird aber auch Faszination aufgebaut: Insektenkörper so nah zu sehen, ist eine spannende Möglichkeit, in diesen Tieren mehr zu erkennen als die nervtötenden Krabbler, die man mit einem schnellen Handschlag getötet hat. Ausführlich beschreibt Ulrich Schmid, wie komplex die Sechsbeiner sind, wie ihre Körper funktionieren und so anders laufen als unsere (schließlich fehlt ihnen beispielsweise ein Blutkreislaufsystem, wie wir es kennen).
Auf diese Weise – informativer Text und lebhafte Bilder – bringt uns der Autor quer durch das Buch, ohne dass Langeweile oder Desinteresse auftritt. Denn an irgendeinem Punkt muss man zähneknirschend zugeben: Insekten sind wirklich spannende Tiere, die mehr verdienen, als ihr schlechter Ruf hergibt. Und so ist man dann auch schnell am Ende angekommen und fragt sich – das war es schon? Denn so ganz zufrieden ist man dann doch nicht. Manche Themen sind einfach viel zu unterrepräsentiert: Mit nur knapp 20 Seiten nimmt die Ernährungsweise eine sehr untergeordnete Rolle ein; dabei gäbe es hier so viel Spannendes zu erzählen. Vor allem aber passt der Aufbau nicht so wirklich. Ganz am Anfang gibt es einen kurzen Text zum Thema „Eine Welt ohne Insekten?“ Ein sinnvollerer Aufbau hätte den Text ans Ende des Buches verlagern müssen, um vor allem auch darüber aufzuklären, warum die Insektenwelt immer kleiner wird. Auch die Rolle für uns Menschen - Stichwort: Insekten als Nahrung, Bestäubung, etc. - hätte viele Seiten mehr vertragen können. Aber dass man sich mehr wünscht, spricht vor allem dafür, wie gut das Buch insgesamt doch gelungen ist.
Fazit
Das Buch bietet spektakuläre Fotos und ein enormes Fachwissen zu Insekten, das lockerleicht für interessierte Leserinnen und Leser aufgebaut wurde. Wir leben wahrlich auf einem „Planet der Insekten“. Es täte dem menschlichen Ego ziemlich gut, das mal einzusehen.
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