Gefangen im Teufelskreislauf der Essstörung
Wer an einer Essstörung erkrankt ist, hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch auch Angehörige und Freunde, die sich um den oder die Erkrankte sorgen, wissen oft nicht, wie es weitergehen soll. Jeder sieht zunächst nur seinen Standpunkt und es fällt durch die veränderte Wahrnehmung der Betroffenen beiden Seiten schwer, sich in die jeweils andere Perspektive hineinzuversetzen. In „Hunger auf Leben“ finden sowohl an einer Essstörung erkrankte Personen wie auch ihnen nahestehende Menschen Informationen, wie sich das Leben und die Persönlichkeit durch eine Anorexie verändern, aber auch, wie ein Weg hinaus und zurück in ein gesundes Leben gelingen kann.
Sophies Geschichte
Im Alter von etwa 19 Jahren erkrankt Sophie Matkovits an Anorexia nervosa, dem Fachbegriff für Magersucht. Nach außen scheint eigentlich alles perfekt, sie hat gerade die Matura geschafft, ist von zuhause ausgezogen und beginnt ihr Jura-Studium in Wien, doch in ihr sieht es ganz anders aus. Nicht nur die Sorgen, den Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht zu werden, auch das Hadern mit der Wahl ihres Studiums und die Frage, was sie von ihrer Zukunft möchte, verunsichern sie. Mit der Zeit wird der Druck in ihr immer größer, so sehr, dass sie bei Kummer und Stress beginnt immer weniger zu essen. Immer tiefer gerät sie in den Strudel aus Hungern, zu dem sich bei ihr auch noch Sport gesellt, sodass ihr Gewicht immer weiter abrutscht, bis es eines Tages zum Zusammenbruch kommt. Sophie schildert aus der Retrospektive, wie es ihr gelungen ist, die Essstörung Schritt für Schritt hinter sich zu lassen, wobei ihre Therapeutin Brigitte Lenhard-Backhaus eine entscheidende Rolle spielte.
Betroffene und Therapeutin erzählen gemeinsam
Während Sophie ihre Geschichte erzählt und Einblicke in die Innensicht einer Erkrankten gewährt, ergänzt Brigitte Lenhard-Backhaus die verschiedenen Phasen der Erkrankung immer wieder durch die wissenschaftliche Sicht einer Therapeutin und ergänzt Fakten sowie Hintergrundwissen. Auf den durch einen gelben Rand markierten Seiten erklärt sie beispielsweise, welche Arten von Essstörungen es gibt, wie es zu einer Essstörung kommt oder auch welche gesundheitlichen Konsequenzen Anorexie, Bulimie und Co mit sich bringen. Dabei geht sie zunächst kurz auf Sophies Schilderungen ein, bevor sie rein sachlich informiert und für „Neulinge“ im Thema kurz und knapp die wichtigsten Fakten auf den Punkt bringt.
Ein ermutigendes Buch für Betroffene und Angehörige
Dadurch, dass Sophie selbst betroffen war, handelt es sich um ein aufbauendes Buch, das sowohl Erkrankten als auch Angehörigen zeigt, dass es einen Ausweg aus der Essstörung gibt. Sophie schildert Höhen und Tiefen und erzählt offen und ungeschönt, welche Glaubenssätze, Ängste und Zwänge bei ihr durch die Essstörung entstanden sind, die wahrscheinlich die meisten Betroffenen so oder so ähnlich auch von sich kennen und über die sie aus Scham lieber schweigen. Sophie zeigt, dass es ein Leben danach geben kann und es verschiedene Hilfsangebote gibt, die auf dem Weg der Genesung helfen können.
Für Angehörige sind ihre Schilderungen spannend und hilfreich, denn viele Gedankengänge der Essstörung sind für gesunde Menschen oft nur schwer nachvollziehbar, was einen Zugang und Verständnis zu den Erkrankten oft erschwert. Die konkreten Tipps von Brigitte, wie sich Angehörige verhalten können, sind hilfreich und geben Halt.
Fazit
Ein gelungenes Buch zum Thema Essstörungen, in welchem sowohl die Innensicht einer Betroffenen sowie wissenschaftliche Fakten und Hintergründe einer Therapeutin spannende Einblicke in das Thema liefern. Dadurch, dass Sophie ihre Geschichte aus der Retrospektive erzählt und inzwischen genesen ist, macht das Buch gleichzeitig sowohl Betroffenen als auch Angehörigen Mut, dass ein Leben nach der Essstörung möglich ist.
Matkovits Sophie, Brigitte Lenhard Backhaus, Kneipp
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