Hegels Welt

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Moritz Neufeld
10101

Sachbuch-Couch Rezension vonSep 2020

Wissen

Kaube argumentiert differenziert und kritisch, aber sehr verständlich. Ein gewisses Maß an philosophischem Vorwissen hilft, kann aber bei Leser*innen eines solchen Buches auch vorausgesetzt werden.

Ausstattung

Die Kapitel sind sinnvoll strukturiert und lassen sich gut „häppchenweise“ lesen. Zahlreiche farbige Abbildungen lassen „Hegels Welt“ noch lebendiger und facettenreicher werden.

Der gemütliche Schwabe, der die Philosophie auf den Kopf stellte

Hegel. An ihm kommt schwerlich vorbei, wer sich mit der Philosophie und dem Nachdenken über den Menschen in der Welt beschäftigt. Der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube hat mit „Hegels Welt“ eine sehr plastische und facettenreiche Annäherung an den Philosophen anlässlich dessen 250. Geburtstags geschaffen.

Hegel, so bringt es Kaube auf den Punkt, wurde in eine „Ja-aber“-Welt hineingeboren; in eine Welt der Umbrüche. Die Französische Revolution, die Aufklärung und der Republikanismus sind präsent, doch genauso auch die Monarchie, das Christentum und die hartgesottene Tradition. In diesem Zusammenhang lässt sich auch das komplexe Werk des Philosophen verstehen: Als einen Geist, der alles prüfte und abtastete, der sich zwischen den Polen bewegte und sein Urteil traf, indem er sorgfältig Widersprüche abwägte und alle Implikationen durchdachte.

Schon in jungen Jahren ein „alter Mann“

Sorgfältig ist generell ein sehr gutes Adjektiv, um Hegel zu beschreiben. Ein sprunghafter Zeitgenosse war Hegel wohl nicht - im Gegenteil, bemerkt Kaube geradezu verschmitzt: „Wer ihm eine Tierart zuordnen wollte, müsste zwischen Wiederkäuer und Maulwurf schwanken.“ So kam es, dass der gebürtige Stuttgarter von seinen Kommilitonen neckisch schon in seinen Zwanzigern ein „alter Mann“ gerufen wurde. In seiner Freizeit frönte er zeit seines Lebens gern dem Bier und dem Kartenspiel. Details wie diese machen diese Biographie besonders erfrischend und anregend: Kaube zeigt nicht nur den großen Denker, sondern auch den gemütlichen Schwaben, den Familienvater, den Kartenspieler.  

Den großen Werken und Gedanken Hegels – beispielhaft genannt seien die „Phämonenologie des Geistes“ und die „Wissenschaft der Logik“ – nähert sich die Biographie mit sorgfältigem Blick auf ihre Entstehungsgeschichte an. Dabei zeigt Kaube auch immer, wie Hegel zum Zeitpunkt des Verfassens gelebt hat, was er gelesen und mit wem er sich ausgetauscht hat. So entsteht ein umfassender, differenzierter Überblick. Dabei werden die zuweilen tiefgehenden und komplexen Gedanken stets mit abwechslungsreicher, unterhaltsamer Sprache aufgelockert.

Ein System rund um die Vernunft

Im Epilog fasst Kaube Hegels Art zu denken mit einem anschaulichen Vergleich zusammen:

„Wie ein guter Schachspieler, der bei jedem Zug prüft, ob die Zugabfolgen, die er zuvor berechnet hat, im Licht des letzten gegnerischen Zugs immer noch gültig sind, so leuchtete Hegel, aufs Denken geradezu versessen, in jeden Winkel des bis dahin von ihm oder von jemand anderem Gedachten hinein, ob sich nicht noch ein Widerspruch oder etwas Übersehenes finde.“

Dieser etwas verschachtelte Satz fasst treffend zusammen, wie Hegel in seinen Werken die Welt vermaß: Indem er den Widerspruch als produktives Element nutzte, kam er durch das Prüfen der anscheinend entgegengesetzten Pole zu einem vollkommen neuen Standpunkt. Bei Hegel dreht sich alles um die Vernunft – sie ist der Fixpunkt, um den alles andere kreist und von dem aus er sein umfangreiches System aufbaut, mit dem er die Welt und den Menschen darin zu erklären versucht. Mit diesem System hat er die Philosophie verändert und zahlreichen anderen nach ihm – sei es Feuerbach, Marx oder Adorno – eine Grundlage geschaffen.

Fazit:

Diese Biographie ist umfassend und differenziert, aber dennoch alles andere als trocken und langweilig.  Wer „Hegels Welt“ liest, bekommt einen facettenreichen und abwechslungsreichen Überblick in das Denken Hegels – ein Denken, das weit über seine Zeit hinaus strahlt und bis heute aktuell ist.

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