Kaum zu glauben, aber unwahr.
Jo Hedwig Teeuwisse hat sich, nach eigenen Angaben, schon von Kindesbeinen an für Geschichte interessiert. Da war der Beruf einer Historikerin quasi vorbestimmt. Seit vielen Jahren gilt sie nun schon als Expertin für Kriminalgeschichte, das Alltagsleben im Mittelalter und auch für das europäische in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dabei ganz speziell für die 1930er und 1940er Jahre. In dieser Funktion arbeitet sie als Beraterin für Museen, wirkt an Dokumentarfilmen mit und führt für diese auch die Recherche aus. Einer breiteren Öffentlichkeit aber ist sie als „The Fake History Hunter“ bekannt – immer auf der Suche nach „falschen Fakten“, „hartnäckigen Mythen aus der Geschichte“, die „so nie passiert sind, aber alle für wahr halten“. Jetzt hat sie 101 davon in ein Buch gepackt, das einmal richtig aufräumt mit unserem geschichtlichen Halbwissen.
Die Macht der Fake History
Was ist so schlimm daran, wenn man manches als historische Fakten angenommene gar nicht stimmt? Eine ganze Menge! Natürlich ist es völlig unerheblich, ob Paris Hilton das Selfie erfunden hat oder Napoleon tatsächlich klein war. Aber es gibt auch Unwahrheiten, die gefährlich werden können. Gerade Fotos bergen ein immenses Manipulationspotential. Selbst harmloseste Abbildungen können so verfälscht werden, dass sie der Intention des Benutzers dienen, ob sie wollen oder nicht und damit extrem gefährlich sein können. Da ist es nicht verwunderlich, dass Teeuwisse gerade viele Fotografien als „Fake History“ entlarvt. In ihrer Einleitung unterstreicht sie aber außerdem, wie gefährlich falsche Annahmen generell sein können, warum manipuliert wird und vor allem wie lange das schon wissentlich oder unwissentlich geschieht. Im Anhang dagegen erklärt sie, „wie man Fake History auf die Spur kommt“, was einen ganz neuen Blick auf alles, was uns als Tatsache aufgetischt wird, verschafft. Außerdem listet sie noch ein paar weitere Fakes, an denen man gleich das erlernte Misstrauen ausprobieren kann und liefert eine umfangreiches Quellenverzeichnis, das zeigt, wie intensiv die Suche nach der Wahrheit manchmal ist.
Von den Pyramiden bis zum Raumschiff Enterprise
Teeuwisse geht falschen historischen Annahmen von der Zeit des Alten Ägyptens bis in unsere heutigen Tage nach. Die einzelnen Artikel sind immer gleich aufgebaut: Zuerst die „Fake History“, wenn möglich in einem kleinen schwarz-weiß-Foto verdeutlicht, und dann deren Widerlegung. Leider ist in den meisten Fällen die geschichtliche Relevanz eher dürftig. Ob ein Foto tatsächlich „die Klinge der Guillotine mit der Marie Antoinette getötet wurde“ zeigt, ist völlig egal – die geschichtliche Tatsache der Hinrichtung durch die Guillotine wird damit nicht angekratzt. Oder ob ein Foto wirklich das allererste Hunde- oder Katzenfoto ist, dürfte den Lauf der Geschichte kaum neu schreiben. Ich hatte mehr wirklich relevante Fakes erwartet, die als solche faktische Auswirkungen auf die Geschichte hatten. Natürlich hat Teeuwisse auch einige davon entlarvt, die meistens etwas mit Ideologiebildung oder Krieg und dessen Aufarbeitung zu tun haben, doch viele sind das leider nicht. Aber vielleicht sollte man darüber auch froh sein.
Ein Buch zum Schmökern
„Fake History“ ist kein Buch, das man von vorne bis hinten durchlesen muss. Im Gegenteil – die ganz unterschiedlichen Fakes laden zum Schmökern ein. Jedoch kann es sein, dass man nicht nur bekannte findet, wie die Annahme, dass die Pyramiden von Sklaven gebaut wurden. Viele sind doch sehr spezifisch und wahrscheinlich nur wenigen außer der „Fake History Hunter“ bekannt – doch interessant sind sie alle. Was man allerdings im Laufe der Lektüre wirklich vermisst, ist ein sachlicher Tonfall in den Artikeln. Teeuwisse verfällt in einen, für meine Begriffe, etwas bemüht humorvollen Stil, der schnell ermüdend werden kann und dem Thema kaum angemessen erscheint. Sieht man davon jedoch einmal ab, hat die Autorin aber eine wichtige Arbeit abgeliefert, denn manchmal ist man wirklich allzu leichtgläubig und sitzt der ein oder anderen „Fake History“ auf – vielleicht finden auch Sie ganz persönliche Fakes, die Sie bisher als wahr angenommen hatten – so wie ich, die immer geglaubt hat, dass die vogelähnlichen Pestmasken aus dem Mittelalter stammen.
Fazit
Ein kurzweiliges Buch, das im Plauderton 101 „Fake Historys“ entlarvt und damit zeigt, wie manipulierbar wir alle sein können. Leider sind die meisten Fehlannahmen sehr spezifisch und wenig relevant für das allgemeine Geschichtswissen. Aber es macht dennoch Spaß, den Unwahrheiten aus der Vergangenheit nachzugehen, allein schon um die eigene Wahrnehmung für die Zukunft zu schärfen.
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