Ein Leben in Geschichten

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Carola Krauße-Reim
7101

Sachbuch-Couch Rezension vonSep 2022

Wissen

Keine umfassende Biografie, nur gekonnt gelenkte Einblicke in kurze Episoden ihres Lebens

Ausstattung

Keine Fotos oder sonstige Abbildungen und für ein so dünnes Büchlein ist der Anschaffungspreis relativ hoch

Einblicke in ein unkonventionelles Leben

Anlässlich ihres 80. Geburtstages im September dieses Jahres sah sich Donna Leon wohl veranlasst, eine Art Autobiografie zu schreiben. Auf lediglich knapp 180 Seiten gibt sie uns Einblicke in ihr Leben, die zwar chronologisch angeordnet sind, aber keineswegs eine vollständige Biografie darstellen. Ganz punktuell und in mehr oder weniger kurzen Artikeln erzählt sie Anekdoten oder winzige Details zu sich und ihrer Familie. Sie lässt uns damit lediglich ganz selektiv in ihren privaten Bereich blicken und erzählt nur das, was sie der Öffentlichkeit preisgeben will. Alles andere bleibt verborgen.

Von New Jersey bis in die Schweiz

Man kann Donna Leons Leben durchaus als unkonventionell bezeichnen. Schon ihre Mutter entsprach wohl nur wenig der damals üblichen Mutterrolle. Ständig rauchend machte sich die passionierte Gärtnerin schon einmal auf nächtliche Raubzüge, um an ein paar Eimer Pferdemist zu kommen. Von Leons Vater erfahren wir wenig, jedoch wird auf die Internationalität ihrer Vorfahren Wert gelegt. In Donna Leons Familie wurde viel gelesen und so ist es nicht verwunderlich, dass auch sie sich zu Büchern hingezogen fühlte. Diese Passion und ihr Studium der Literatur verschlugen sie in ganz unterschiedliche Gegenden der Erde. Im Iran erlebte sie den Sturz des Schahs, in Saudi-Arabien die ultimative Langeweile und in Italien den Respekt amerikanischer Soldaten. Bis es sie schließlich nach Venedig verschlug, wo sie viele Jahre lebte und ihren Brunetti erfand. Doch Touristenmassen und Kreuzfahrtschiffe vertrieben die Liebhaberin barocker Opern in die Schweiz, deren Staatsangehörigkeit sie annahm und fast schon ungewollt einen Garten mit unzähligen Fliederbüschen anlegte.

Tomaten, $audiopoly und Bienen

Donna Leon erzählt auf ihre ganz eigene und sehr humorvolle Art. So schildert sie z.B. wie sie zu Studienzeiten gewitzt und einfallsreich an Geld kam. Das war vielleicht ein ganz kleines bisschen illegal, aber sehr erfolgreich. In Riad erfanden sie und zwei weitere ausländische Uniangehörige das Spiel  $audiopoly, ein Pendant zu Monopoly, bei dem das zu erlangende Traumfeld mit „Verlassen sie umgehend den saudi-arabischen Luftraum“ betitelt war und das zweifelsfrei zu großen Schwierigkeiten geführt hätte, wäre es je an die Öffentlichkeit gelangt.

Alle diese Anekdoten lassen tief in den Charakter der Autorin blicken, auch wenn dieser Blick gekonnt gelenkt ist. Scheinbar ist Donna Leon ein unabhängiger und freier Geist, der sich nicht um Konventionen stört, aber dennoch viel Wert auf Respekt und Anstand legt, was besonders im letzten ganz kurzen Kapitel „Mag ich, mag ich nicht“ deutlich wird. Und sie ist ein Mensch, der sich über vieles Gedanken macht. Das kann manchmal zur Manie werden, die ihre Umwelt auf eine harte Geduldsprobe stellen kann. Die Leserschaft kommt in diesen Genuss, wenn Leon sich in „Bienen“ über genau diese seitenweise auslässt und Sie somit wesentlich mehr über die kleinen Brummer erfahren, als Sie es je wollten.

Wenig erfahren wir dagegen über Brunetti, er wird fast als eine Art Randerscheinung geschildert, obwohl wohl gerade der Erfolg durch die Krimis mit ihm das nötige Kleingeld für ein Haus mit ausgedehntem Garten in der Schweiz geliefert haben dürften. Doch Geld scheint Donna Leon nicht wirklich wichtig zu sein, wichtiger sind die kleinen Momente im Leben in denen sie auf etwas stößt, das sie stutzig macht, ihr Interesse weckt und dann unbedingt in einem neuen Venedig-Krimi mit Brunetti & Co. verarbeitet werden muss.

Keine Fotos

Bei so einem bewegten und unkonventionellen Leben gibt es bestimmt unzählige Fotos oder andere Bilder. Doch die enthält uns Donna Leon komplett vor. Kein einziges Foto ihrer Familie, keins aus Venedig oder anderen Orten. Nicht einmal das berühmte Spiel aus Saudi-Arabien wird gezeigt. Natürlich liegt ein so privater Einblick im Ermessen der Autorin, die diesen scheinbar nicht wollte. Dennoch wäre es für ihre Leserschaft sehr interessant gewesen.

Fazit

Ein Buch für Fans der Krimiautorin. Zwar lässt Donna Leon nur gezielte und kurze Einblicke in ihr Leben zu, doch die sind amüsant und kurzweilig und zeigen den unabhängigen Geist und die immer noch ungeminderte Schaffensfreude der Autorin. In diesem Sinne – alles Gute zum Geburtstag und ein langes Leben, Donna Leon!

Ein Leben in Geschichten

Donna Leon, Diogenes

Ein Leben in Geschichten

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