Ein faschistischer Diktator
- wbg Theiss
- Erschienen: Februar 2023
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Anspruchsvoll, aber verständlich zu lesen
Noch als Toter schafft es Hitler bis heute wie kein Zweiter, einen Mythos aufrechtzuerhalten, der einerseits mit Schrecken an die deutsch-nationalsozialistische Vergangenheit zurückdenken, den Diktator andererseits von seinen Anhängern zum Vorzeigeherrscher stilisieren lässt. Politische Ströme der letzten Jahre machen klar: Fremdenhass ist kein Phänomen nur des 20. Jahrhunderts. Deshalb muss Hitler entmystifiziert und sein furchtbares Wirken nicht vergessen werden.
„Wohl aber lassen Hitlers gewalttätige Reaktionen erkennen, dass sein Weg in die Diktatur nicht Schritt für Schritt planmäßig, sondern durchaus aufgrund situativer Entscheidungen erfolgt ist.“
Die Frage stellt sich immer wieder: Wie konnte es ein einzelner Mann in den 1930er Jahren schaffen, ein neues Reich auszurufen und halb Europa in Angst und Schrecken zu versetzen? Woher kam dieser Mann, dessen Name auf ewig mit dem Holocaust in Verbindung gebracht werden wird? Auch stellt sich die Frage: Woher kam der Hass insbesondere gegen die jüdische Bevölkerung und der Wunsch, ein arisches Reich zu errichten?
Geboren in Österreich-Ungarn am 20. April 1889, wuchs Adolf Hitler unter einem gewalttätigen Vater auf. Zu seiner Mutter indes hatte er eine innige Beziehung. Dennoch war die Zeit zwischen dem Auszug aus dem Elternhaus und seinem Aufstieg in der NSDAP sehr unstet: Er hielt sich als verkannter Künstler über Wasser, porträtierte Landschaften als Postkarten und zog schließlich sogar in den Ersten Weltkrieg, wo er mehrfach dem Tode nur knapp entkam.
Die Zeit danach ist umso besser dokumentiert, als er sich Anfang der 1920er Jahre für die Politik zu interessieren begann. Immer wieder gab es Rückschläge auf dem Weg nach „oben“: Er hatte sich anfangs mit politischen Gegnern auseinanderzusetzen; insbesondere Reichspräsident Hindenburg versuchte erst alles, um Hitler am Aufstieg zu hindern – musste aber schließlich klein beigeben. Auch die Beziehung zum italienischen Diktator spielt für Hitlers Werden eine wesentliche Rolle.
Schließlich wurde Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt und hatte so relativ freie Hand bei der Verwirklichung seiner dunklen Pläne. Sein Lebensweg war bis dahin steinig, aber schlussendlich für ihn erfolgreich. Erst als einige seiner Kriegspläne scheiterten, wendete sich das Blatt und Europa konnte nach seinem Suizid aufatmen.
Braucht es noch eine Hitler-Biografie?
Biografien von Hitler gibt es zuhauf. Alleine in dem vorliegenden Buch werden einige als Quellen genutzt, weitere als Literatur für Interessierte aufgezählt. Dabei gehen diese unterschiedliche Wege, um einen Mann zu beschreiben, der Europa spaltete. Wer hinter die Persönlichkeit Hitler schauen möchte, sollte dieses Buch nicht zur Hand nehmen. Seine Kindheit und die Jahre bis zum Ersten Weltkrieg werden in einem kurzen Kapitel behandelt, seine Beziehung zu Eva Braun nur am Rande erwähnt, ebenso seine Krankheit, die vermutlich auch sein Ansehen verletzte.
Vielmehr geht Wolfgang Schieder, Historiker mit dem Schwerpunkt Faschismusforschung, auf Hitlers politisches Wirken ein – und das sehr gründlich und auf hohem Niveau. Die folgenden Kapitel behandeln dementsprechend auch „Einstieg in die Politik 1918-1924“, „Weg an die politische Macht 1925-1933“, „Durchsetzung der Diktaturherrschaft 1933-1939“ und „Auslösung und Scheitern imperialistischer Vernichtungskriege“. Daher sollte das Interesse primär auf das politische Handeln liegen, das zur Person Hitler natürlich einiges beigetragen hat. Zwischendurch gibt es auch Absätze darüber, wie das deutsche Volk auf seine Entscheidungen reagierte oder wie seine engsten Vertrauten zu ihm standen – belegt unter anderem durch Tagebucheinträge. Allerdings gibt es davon entschieden zu wenig.
So ist der Grundtenor sehr trocken, wenngleich trotzdem interessant. Geradlinig und mit fachlicher Kompetenz beschreibt Schieder das Leben Hitlers aus einer sehr unpersönlichen und professionellen Sicht. So wird dieses Fachbuch den Ansprüchen an die Form gerecht, wenngleich Fußnoten geholfen hätten, einige Begriffe, Personen oder Ereignisse zuzuordnen.
Nach jedem der Kapitel gibt es noch einige Bilder aus Hitlers Leben, die manchmal direkte Bezüge zu den Kapiteln haben. Zum Schluss überträgt Schieder mit dem kurzen Kapitel „Hitler heute“ die damaligen Verhältnisse auf die Gegenwart, gemeinsam mit der Frage, ob so eine Entwicklung in so einer Form nochmal möglich ist. Auch wenn der Autor nicht davon ausgeht, so warnt er doch: „Das bedeutet aber nicht, dass es keine politischen Diktaturen mit staatsterroristischem Vernichtungscharakter mehr geben könnte.“ Bücher wie diese helfen vielleicht beim Verstehen und Verhindern, dass so etwas eintreten kann.
Fazit
Eine anspruchsvolle Biografie vom vermutlich bekanntesten Diktator der Welt. Es gilt, seinen geschaffenen Mythos aufzubrechen und sein Werden und Wirken zu verstehen, um auszuschließen, dass sich die Geschichte wiederholt. Eine bedingte Empfehlung für alle fachlich Interessierten.
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