Reisetagebuch mit Kochrezepten
Vincent Klink ist ein Allroundtalent – in seinem Stuttgarter Restaurant Wielandshöhe verwöhnt er mit seinem Team die Gäste auf Sterne-Niveau, er malt, fertigt Holzschnitte an, musiziert, liebt die Malerei und ist sehr belesen. Seinen Bauch hat er schon durch Wien und Paris spaziert und jetzt trägt er ihn durch Venedig, die Stadt, die ihn einfach nicht loslässt.
Die Lagunenstadt ruft
Venedig, die auf Pfählen gebaute Lagunenstadt, ist der Traum vieler Romantiker und Kunstliebhaber. Für ihr Essen ist die Serenissima weniger berühmt, was nicht an den typischen Gerichten selbst liegt, sondern an den Touristenmassen, die billig und oft auch schnell verköstigt werden wollen, was sich zwangsläufig in Qualität und Niveau niederschlägt. Dennoch zieht es das schwäbische Koch-Schwergewicht immer wieder in diese einmalige Stadt. Er schafft es bei jedem Aufenthalt neue Restaurants zu finden, die seinem Gaumen und seinem Magen gerecht werden. Dabei fällt seine Wahl nicht auf die Hotelrestaurants, die einer breiten Masse an Gästen gerecht werden müssen, sondern auf oft kleine und familienbetriebene Gaststätten. Das Essen ist dort noch mit Liebe gekocht und die typischen Fischgerichte nicht nur deshalb ein Traum.
Dennoch ist Klinks Auswahl nichts für den Feriengeldbeutel einer Familie, denn Qualität hat seinen Preis und so können schon einmal mehrere hundert Euro für zwei Personen zusammenkommen. Auch die Hotelauswahl dürfte für den schmalen Geldbeutel nicht erreichbar sein, denn Gritti, Palazzo Stern, La Calcina und Monaco Grand Canal sind Luxusherbergen mit dem entsprechenden Preisniveau. Dennoch macht es Spaß mit Klink durch Venedig zu schlendern, denn er besucht bekannte und weit weniger bekannte Orte, frönt der Kunst und lässt uns an seinen oft tiefgründigen Gedanken teilhaben. Das zeigt, dass dieses Buch kein typischer Reiseführer ist, sondern mehr einem der ganz persönlichen Reisetagebuch ähnelt, die Klink auf seinen Reisen stets führt und die schon eine ganze Weinkiste füllen.
Venedig besitzt Kunstwerke en masse
Nicht nur die bekannten Museen der Stadt können mit Kunstwerken der Extraklasse aufwarten, fast jede Kirche besitzt einen Tizian, Tintoretto oder Tiepolo. Klink nimmt uns mit auf seinen Spaziergängen und zeigt uns die Vielfalt der Kunst in dieser Stadt. Dabei erzählt er auf seine ganz eigene Art, die immer sehr viel Humor und manchmal auch versteckte Kritik aufweist, aber immer gemäß dem Motto seiner Schwiegermutter „Des send au Leut“, nie boshaft ist.
Er zeigt uns versteckte Kleinode in den unterschiedlichen Stadtvierteln, schippert mit uns auf die Friedhofsinsel Isola San Michele und sogar bis nach Torcello, um in der „Locanda Cipriani“, wo schon Hemingway Erholung (und gutes Essen) fand, zu speisen. Bei diesen Besuchen und Besichtigungen zeigt sich Klinks ausgezeichneter Kunst- und Literaturverstand. Doch seine Erklärungen sind nie langweilig, sondern gespickt mit Anekdoten, Zitaten und Literaturhinweisen und das auf typisch trockene schwäbische und manchmal auch selbstironische Art.
Eingefügt in den Text sind immer wieder kleine Fotos, die nicht nur Kunst, sondern (natürlich!) auch verschiedene Gerichte zeigen. Damit man keine Örtlichkeit in der etwas unübersichtlichen Lagunenstadt verpasst, sind sowohl eine Landkarte von Venetien und seinen angrenzenden Regionen und vor allem, und ganz wichtig, ein Stadtplan in den Buchdeckeln sowie eine Auflistung der Kirchen mit ihren zugehörigen Kunstwerken im Anhang zu finden. Es macht einfach unglaublich viel Freude Klink zu folgen und wenn er dann auch noch ein paar Rezepte nachschiebt, kann man sich sogar die kulinarischen Köstlichkeiten ins Haus holen.
Pulposalat, gerösteter Sepia und Carpaccio
In Venedig gibt es vor allem Fischgerichte, die von der Vielfalt der Meerestiere geprägt sind. Hier findet man die kleinen Fische genauso, wie große Exemplare und natürlich auch Muscheln und Krebse. Selbstverständlich gibt es auch Fleischgerichte, wie Ravioli mit Fleischfüllung oder das Carpaccio, das hier in „Harry‘s Bar“ erfunden wurde und NIEMALS mit Rucola belegt wird und von dem Klink vermutet: „Wenn man es je original gegessen hat, mutet es ziemlich peinlich an, wie heutzutage jeder dünn geschnittene Mist, egal ob rote Rübe, Pilze, Kohlrabi usw., Ciprianis Kreation diffamiert“.
Seine, leider recht wenigen, eingestreuten Rezepte sollten immer mit frischen Zutaten zubereitet werden (Klink verarbeitet nur regionale Produkte und verabscheut „Quälfleisch“), was allerdings manchmal zum Problem werden könnte, denn z.B. die kleinen italienischen Artischocken oder ganz frische Vongole und auch einige andere Zutaten dürften nicht ohne weiteres zu erhalten sein. Doch wenn man alles bekommen hat, sind die Zubereitungen gut erklärt und man kann sich mit dem dampfenden Teller vor der Nase an die Riva des Canale Grande oder unter die Pergola der „Locanda Cipriani“ träumen. Wenn man sich dann auch noch einen Aperol Spritz mischt oder einen, von Klink bevorzugten, Campari trinkt, ist das Venedig-Feeling perfekt.
Fazit
Ein Reiseführer der anderen Art! Kunst gepaart mit Kulinarik – das kann nur Vincent Klink in seinem lässig-deftigen Stil so gekonnt verbinden. Spazieren Sie mit ihm und seinem Bauch durch Venedig, sie werden garantiert ihre Freude haben, egal ob Sie kunstinteressiert sind oder lieber dem guten Essen frönen.
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