Die Sprache als Mittlerin für Kultur, Menschen und Politik
Die Romanautorin und Sinologin Thekla Chabbi legt mit „Die Zeichen der Sieger“ eine umfangreiche Abhandlung über die Bedeutung von Sprache, in diesem Fall des Chinesischen, im Zusammenhang mit dem Verständnis einer Kultur, deren Menschen und ihrer Politik vor. Sie will den Vorurteilen der westlichen Welt gegenüber China auf den Grund gehen und zeigen, dass ein falsches Verständnis auch durch die Missinterpretation oder die Unkenntnis einer unbekannten Sprache kommen kann. Wer sich, wie Frau Chabbi, so sehr mit Sprache und ihrer Bedeutung für Vorurteile beschäftigt, hätte vielleicht einen anderen Titel für sein Buch wählen können. „Sieger“ bedeutet, dass es einen Besiegten und einen auszutragenden Konflikt gibt, was wiederum nicht gerade zur Beilegung von Vor- und Missurteilen dienlich ist.
Sprache als Medium und politisches Instrument
Chabbi veranschaulicht die Bedeutung und Entwicklung des Mediums Sprache für China im Laufe der Geschichte. Sie spannt einen Bogen von den ersten Orakelknochen über Konfuzius bis Xi Jingping. Dabei beleuchtet sie die Bedeutung der Sprache für die Machthaber, für die Einheit Chinas, für die Denkweise der Chinesen, aber auch für die Schwierigkeiten der westlichen Welt mit dem chinesischen Staat. Sprache kann verbinden aber auch entzweien, wie der Hongkong-Konflikt von 2014 zeigte. Die Androhung Chinas, dass das dort gesprochene Kantonesisch verboten werden sollte, löste die Unruhen aus. Sprache kann auch als Mittel der Einflussnahme dienen, wie die unzähligen chinesischen Sprachinstitute auf der ganzen Welt implizieren. Eine Unkenntnis von Sprache kann wiederum zu einem langanhaltenden Missverständis der gesamten Bevölkerung führen, da „Sprachlosigkeit“ ein guter Nährboden für Vorurteile ist.
Die chinesische Sprache und die Schwierigkeiten, die sie birgt
Neben ihrer gesellschaftswissenschaftlichen Bedeutung geht Chabbi auf die Sprache bzw. Schrift an sich ein. Sie erklärt die Beschaffenheit der Schriftzeichen im Laufe der Geschichte, die Bedeutung der Kaligraphie, die Syntax, Phonetik, Grammatik und die Tücken der 4-Ton-Aussprache.
Nach der Lektüre weiß man, warum es keine halben Birnen auf chinesischen Buffets gibt und, warum in China die 4 so unbeliebt ist wie bei uns die 13. Wortspiele und chinesische Namen bergen eine Vielzahl an Fallstricken, die ein China-Unkundiger nur allzu leicht übersieht. In diesen Kapiteln kommt Chabbi dann manchmal etwas ins Schwärmen und weicht vom eigentlichen Thema in Randbereiche ab, die zwar auch interessant sind, aber durch ihre teilweise sehr ausführliche Erläuterungen verwirrend sein können.
Fazit:
Was wohl als populärwissenschaftliches Buch gedacht war, ist durch die sehr akademische Ausdrucksweise der Autorin eher eine wissenschaftliche Abhandlung geworden. Man muss schon großes Interesse an China und an der chinesischen Schrift und Sprache haben, um dieses Buch wirklich würdigen zu können. Die enorm vielen Details und sehr ausführlichen Erklärungen machen es dem Leser nicht leicht, der Autorin zu folgen. Wer dennoch Zeit investiert, um manche Passagen mehrmals bis zum vollständigen Verstehen zu lesen, bekommt einen umfassenden Überblick und kann zum Schluss sogar den Namen Huawei korrekt aussprechen.
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