Haben Precht und Welzer recht?
Sein neues Buch hat der Autor und Philosoph Richard David Precht zusammen mit dem Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer verfasst. Der Buchtitel „Die vierte Gewalt“ suggeriert, dass der Journalismus (Medien) neben der Judikative, Exekutive und Legislative eine vierte staatstragende Säule mit viel Einfluss sei. Doch so überspitzt der Buchtitel auch ist, realitätsfremd ist der Inhalt nicht - ganz im Gegenteil.
Medienkritik
In einem rational - nüchternem Ton beschäftigen sich die Autoren mit der Frage, welche Aufgabe der Journalismus heutzutage in unserer Gesellschaft hat. Ihre Kernthese lautet, dass die Medien oft nicht die komplette Meinungsvielfalt im Land widerspiegelten. Vielmehr verkauften die Medien „Mehrheitsmeinungen“ als solche, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung sie nicht trage.
Precht und Welzer warnen vor einer Gesellschaft, in der die veröffentlichte Meinung nicht mehr der öffentlichen entspricht. Von Demokratiegefährdung ist die Rede.
Das Buch wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Die Medien hyperventilieren und weisen die Vorwürfe vehement von sich. Man könnte fast meinen, Precht und Welzer hätten einen Nerv getroffen. Der Stachel sitzt tief und mit jeder Seite dieses fantastisch recherchierten Sachbuchs ziehen sie den Stachel etwas weiter heraus und treiben die Medienlandschaft vor sich her.
Aktuelle, Kontroverse Themen
In inhaltlicher Hinsicht befassen sich die Autoren mit der Migrationskrise, sowie aktuellen Themen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine Krieg. Im Einzelnen präsentieren sie zahlreiche Belege, wie sich der Großteil der Medien im Hinblick auf die Coronadebatte der Regierungsmeinung nahezu angleichen und ihre Auffassungen praktisch reproduzieren. Und das zu einem Zeitpunkt, in der die Bevölkerung der Coronapolitik der Regierung mehrheitlich skeptisch gegenübersteht. Ähnliches liefern die Autoren zum Ukraine Konflikt. Hier werfen sie den Journalisten u.a. „Komplexitätsreduktion“ vor.
Begleitet werden diese Analysen von philosophischen, psychologischen und soziologischen Überlegungen, sowie grundlegenden Erwägungen zur Funktion der Medien und die Notwendigkeit von öffentlicher Meinungsbildung - und Äußerung.
Der typische Precht-Ton
In stilistischer Hinsicht weist das Buch leider zu viele Schachtelsätze und Nominalisierungen auf, was den Lesefluss oft unterbindet oder ihn zumindest erschwert. Im Hinblick auf die Argumentation sollte man sich auf eine gewisse Einseitigkeit gefasst machen. Gelegentlich verfällt das Buch in einen Behauptungsmodus, der fast Rechthaberisch klingt. Dies stellt für mich jedoch die typische Art von Precht und Welzer dar, was diesem Buch eine gewisse Sympathie und - trotz aller Rationalität - etwas Menschlichkeit verleiht.
Fazit
Abschließend bereitet dieses Werk jedem eine Freude, der sich kritisch mit Politik und sonstigen gesellschaftlichen Themen beschäftigt. Auch Leser, die Tiefgang bezüglich der Themen Medien, Philosophie, Soziologie und Psychologie brauchen, lässt dieses Buch befriedigt zurück. Rundum ein kurzes, dünnes Buch mit viel Sprengkraft.
Harald Welzer, Richard David Precht, S.Fischer
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