Faszinierendes Eintauchen in das Leben der Tiere
Kultur wurde lange Zeit nur uns Menschen zugesprochen. Erst nach und nach entdeckten Wissenschaftler, wie ausgeprägt kulturelle Handlungen bei Walen, Primaten, Raben, Papageien und vielen anderen Tieren sind. Diese können sich zwischen Populationen, ja sogar zwischen Familien unterscheiden und für eine Diversität sorgen, die lange genug unbeachtet blieb. Dabei offenbart sich eine Welt, die die Grenzen zwischen Mensch und Tier immer kleiner werden lässt.
„Kultur umfasst Wissen und Fertigkeiten, die von Individuum zu Individuum sowie von Generation zu Generation weitergegeben werden. Kultur wird sozial erlernt.“
Anhand dreier Arten, den Pottwalen, den Hellroten Aras und den Schimpansen, geht der Biologe Carl Safina auf den Grund, inwiefern Kultur in der Tierwelt vorhanden ist. Am Beispiel der Pottwale zeigt er auf, wie familiäre Bande Ausgangspunkt für Kulturen sein können. Dabei zeigt sich, dass verschiedene Clans, die zwar im gleichen Verbreitungsgebiet zu finden sind, aber unterschiedliche Kulturen pflegen, einander aus dem Weg gehen. Dies eröffnet völlig neue Ansätze für die Evolutionsforschung: Sollten sich Arten etwa nicht nur aufgrund geografischer Barrieren entwickeln, sondern auch aufgrund verschiedener Kulturen?
Auch Schönheit kann ein wichtiger Aspekt sein: Aras erstrahlen in den schönsten Farben, und bei den meisten Vogelarten ist das Männchen sogar viel farbenprächtiger als das Weibchen. Doch wie hat sich dies entwickelt? Kann das alleine anhand der selektiven Wahl der Paarungspartner durch die Weibchen entstanden sein? Schließlich ist auch Schönheit Teil einer Kultur und kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Das kennt man bei Menschen: Was in der einen Kultur modischer Schmuck ist, wirkt in der anderen seltsam.
Zu guter Letzt stehen Schimpansen auf dem Prüfstand: Frieden ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit; schließlich sind diese Menschenaffen zu auffälligen kriegerischen Handlungen fähig, die grausame, sadistische Züge tragen. Andererseits sind Schimpansen aber auch sehr kommunikativ, entwickeln sogar eine Sprache, die aus kleinsten Nuancen besteht und sich unserem Verständnis oftmals entzieht. Ja, sogar hier gibt es regionale Unterschiede, die bedeutend sind und für eine Diversität sprechen, die wir gerade erst begonnen haben, zu entdecken.
„Kultur ist kein Luxus. Die Hüter des kulturellen Wissens ermöglichen den Populationen, in ihren Lebensräumen zu überleben. Dazu braucht es Kulturen und Lebensräume; beide müssen (…) bewahrt werden.“
In drei ausführlichen Kapiteln macht Carl Safina seinen Standpunkt klar: Kultur ist nicht nur eine Bereicherung des Lebens, sondern Grundlage für ein umfassendes Wissen, das von Generation zu Generation weitergetragen wird und unbedingt geschützt gilt. In dem rasenden Tempo, in dem wir heutzutage Arten verlieren, geht gleichermaßen eine noch größere Bandbreite an kulturellem Wissen verloren. Dieser Ansatzpunkt setzt einen völlig neuen Naturschutzgedanken nach, dem man unbedingt Beachtung schenken muss.
Safina beschränkt sich in seinen Ausführungen nicht nur auf die drei Arten, sondern führt viele weitere Beispiele ins Feld, die mit zahlreichen Belegen aufgeführt und sinnvoll eingebracht werden. Zusätzlich gibt es im Mittelteil ein paar Fotos, die zwar nett anzusehen sind, aber den Bezug zu den Kapiteln vermissen lassen. Eine Integrierung der Bilder in den Textteil wäre vorteilhafter gewesen.
Fazit
Wenngleich Carl Safina sehr ausschweifend schreibt und zu Wiederholungen neigt, ist er schlüssig in seinen Ausführungen und Argumenten. Die tierischen Beobachtungen und Geschichten sind spannend geschrieben. Es offenbart sich ein völlig neuer Blickwinkel, der viele interessierte Leser beeindrucken wird.
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