Große Erzählkunst!
Eine Frage, die vermutlich so alt ist wie die Menschheit: Wo kommen wir her? Die Spezies Mensch ist noch gar nicht so alt und hat doch eine faszinierende Evolution hinter sich, die weit vor ihrem Erscheinen ihren Anfang nahm. Welche Mechanismen stecken hinter der Entwicklung all der verschiedenen Merkmale, die uns ausmachen? Neil Shubin erklärt, warum es sich dabei nicht um Neuerfindungen handelt.
„Wer glaubt, die Federn seien entstanden, um den Tieren beim Fliegen zu helfen, oder die Lungen und Beine haben von Anfang an den Zweck gehabt, Tieren das Gehen an Land zu erleichtern, der ist in guter Gesellschaft. Und trotzdem liegt er völlig falsch.“
Dass viele weiterhin an die Schöpfung glauben, verwundert nicht, wenn man sich die körperlichen Wunder ins Gedächtnis ruft, die allein Homo sapiens in sich vereint. Die Vorstellung, dass all dies sich entwickelt hat, ohne dass ein göttliches Wesen seine überirdischen Finger im Spiel hatte, erscheint auch hartgesottenen Wissenschaftlern schwer nachvollziehbar. Wie ist etwa unsere Lunge wie aus dem Nichts entstanden, wenn Fische dieses Organ nicht besitzen, obwohl diese doch als Vorfahren aller landlebenden Wirbeltiere gelten?
Auch unsere Zellen sind kleine Wunder, denn in ihrem Inneren arbeiten winzige Kraftwerke, die Mitochondrien, die den Körper mit Energie versorgen. Wie sollen diese Zellorganellen, so perfekt auf uns abgestimmt, einfach so aufgetaucht sein? Dass hier kein Plan vorliegt, ist schwer zu verstehen. Tatsächlich haben diese und weitere Fragen Wissenschaftler schwer beschäftigt – besonders seit Darwins Evolutionstheorie, die nochmal weitere Fragen aufgeworfen hat, die lange Zeit unbeantwortet blieben. Erst nach und nach haben es einige Koryphäen auf ihrem Gebiet geschafft, Licht ins Dunkel zu bringen.
Grundwissen in Genetik vorausgesetzt
Es ist der Verdienst vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gegen populäre Meinungen (auch von Kollegen) ankämpfen mussten, dass wir heute eine gute Vorstellung davon haben, was Evolution wirklich bedeutet. Denn als Darwin Über dieEntstehung der Arten veröffentlichte, hatte er zwar eine gewisse Ahnung, doch fehlte jener Zeit noch der Zugang zur Genetik, jener Wissenschaft, die sich mit DNA, Vererbung und Mutationen beschäftigt. Ohne diesen Zweig der Biologie kommt auch dieses Buch nicht aus.
Neil Shubin ist nicht nur durch sein erfolgreiches Buch Der Fisch in uns bekannt (das ich an dieser Stelle nur empfehlen kann!), sondern auch als Entdecker des „Missing Link“ zwischen Fischen und Landwirbeltieren. Man merkt schnell: Der Mann hat Ahnung. Doch darüber hinaus schreibt er auch noch verdammt gut und verständlich. Dem Buch zu folgen ist definitiv nicht immer einfach, da tief in die Genetik eingetaucht wird, ohne grundlegendes Wissen vorher großartig zu erklären. Allerdings versteht man trotz allem, worauf Shubin hinauswill, da er das aus dem Geschriebenen Resultierende spannend zusammenfasst und den sachunkundigen Leser nicht ins Leere laufen lässt.
Unterstützend liegen einige Zeichnungen vor, die ein Nachvollziehen deutlich erleichtern und einen direkten Bezug zu den vorgestellten Beispielen erkennen lassen. Wer sich also für das Thema interessiert, aber vor Verständnisschwierigkeiten zurückschreckt, der sollte dem Buch eine Chance geben, weil viel Mühe aufgewendet wurde, um das Verständnis zu erleichtern. Wer anschließend nach mehr Informationen verlangt, der wird mit über 100 Seiten weiterführender Literatur und Anmerkungen beglückt.
Fazit
Zwar kommt Die Geschichte des Lebens nicht ganz an Der Fisch in uns heran, aber wieder einmal zeigt Neil Shubin, dass er schwierige Materie in alltägliche, gut verständliche Sprache übersetzen kann, ohne zu überfordern.
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