Es fehlt ein optischer Anker für die Fülle an Informationen.
Vögel, die spielen und dabei sogar lachen? Greifvögel, die absichtlich Feuer legen? Es gibt Erkenntnisse, die einfach zu unglaublich klingen, als dass sie wahr sein könnten. Und doch gibt es erstaunliche Beobachtungen, die genau dafür sprechen. Die Journalistin Jennifer Ackerman packt faszinierende Geschichten über die Vogelwelt aus, die lange Zeit ins Reich der Mythen gehörten.
„Vögel sind Bilderstürmer und Regelbrecher. Sie zerstören unsere Vorstellungen. Sie strafen unsere sauberen Kategorien und ordentlichen, einheitlichen Theorien Lügen (…).“
Mit über 10.000 Arten gehören Vögel neben den Fischen zu den erfolgreichsten Wirbeltieren. Und obwohl wir viele von ihnen bereits sehr gut kennen, gibt es doch immer wieder Geheimnisse aufzudecken, die sich Wissenschaftler in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnten. Jennifer Ackerman scheint ein Faible für die Fähigkeiten der Vögel zu haben, widmete sie ihnen doch bereits das gefeierte Buch „Die Genies der Lüfte“, in dem sie der Intelligenz der gefiederten Einsteins auf den Grund ging.
Ihre Begeisterung hat sie offenbar dazu bewogen, der Vogelwelt mit ihrem neuesten Buch „Die geheime Welt der Vögel“ ein weiteres Denkmal zu setzen. In fünf Kapiteln („Reden“, „Arbeit“, „Spielen“, „Liebe“ und „Elterndasein“) findet sie viele Beispiele für unglaubliches Verhalten, das lange Zeit den Vögeln abgesprochen wurde – etwa vorausschauendes Denken oder das Spielen um des Spielens willen. Die Kapitel beginnen stets mit einer attraktiven Zeichnung eines Vogels, der auch im Kapitel Erwähnung findet. Zwar in schwarz-weiß gehalten, werten die Bilder das Buch doch sehr auf, das ansonsten stark textlastig ist.
Jennifer Ackerman schreibt aus eigenen Erfahrungen, die sie auf der ganzen Welt machen durfte. Zudem bezieht sie sich auf einige Forschungsergebnisse sowie -felder, die teilweise erst kürzlich bekannt wurden. Dadurch ergibt sich eine tiefe Einsicht darin, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren gefiederten Forschungsobjekten nachgegangen sind. Thema ist beispielsweise der neuseeländische Kea, ein Papagei, der für seinen intensiven Spieltrieb bekannt ist. Warum spielen Keas? Was bringt ihnen das in ihrer verschneiten, alpinen Heimat? Ausführlich wird dies in dem Buch behandelt und dabei allgemein der Frage nachgegangen, woran man andere spielende Vogelarten erkennt.
Zähe Lesekost
Ja, es handelt sich um ein Sachbuch, das auch einen gewissen Anspruch hat, eine wissenschaftliche Basis zu haben. Das schafft Jennifer Ackerman sehr gut: Sie verfolgt ein Konzept (das jedoch nicht immer eine klare Linie zeigt) und weiß dieses auch wissenschaftlich darzustellen. Passend dazu findet sich am Ende eine ausführliche Literaturliste zu den jeweiligen Studien. Dennoch dürfte sie mit dem Buch nicht viele LeserInnen bis zum Ende an die Seiten binden. In ihrer Ausführlichkeit vergisst sie manchmal, besonders interessante, vielleicht sogar anekdotische Elemente hervorzuheben, kleine Highlights, die für Abwechslung sorgen. Stattdessen bleibt der Lesefluss auf gleichbleibendem Niveau – nicht gut oder schlecht, dafür monoton.
Schade ist auch, dass nicht mehr Bilder vorhanden sind. Einerseits muss man der Autorin zugutehalten, dass sie sehr viele Vogelarten vorstellt und dadurch für ein artenreiches Bild sorgt. Andererseits fallen dann Namen, unter denen sich ein Vogellaie (und manch ein Experte) nichts vorstellen kann: Rotmantel-Ameisenwächter, Kotinga, Breitschwanzelfe oder Glanzmanteldrongo. Keine Vorstellung von dem Vogel zu haben, ist in dem Moment schade. Ideal wären natürlich so fantastische Illustrationen wie auf dem Cover, aber auch die Zeichnungen am Anfang jedes Kapitels wären ausreichend gewesen. Ein weiteres Manko ist das Fehlen der wissenschaftlichen Namen der genannten Vögel, wie in einem wissenschaftlichen Buch eigentlich üblich, da die Trivialnamen oft nicht eindeutig sind.
Um jedoch kein falsches Bild zu vermitteln: Jennifer Ackerman hat ein hochwertiges Sachbuch geschrieben, das textsicher und fachlich einiges zu bieten hat. Für alle, die sehr interessiert an der Ornithologie sind, einfach ideal!
Fazit
Nach ihrem Hit „Die Genies der Lüfte“ ist zumindest hier etwas die Luft raus. Dennoch kann man fachlich Einiges erwarten. Wieder ein spannendes Buch über die unglaublichen Fähigkeiten, die unsere gefiederten Freunde bisher vor uns verborgen haben.
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