Die Erfindung der Hausfrau - Geschichte einer Entwertung
- HarperCollins
- Erschienen: Oktober 2021
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Wenig Neues im wissenschaftlichen Gewand
Die Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes beschäftigte sich 2018 in ihrer Dissertation zum Thema „Die angewiesene Frau“ mit Haushaltsratgebern aus der Spätaufklärung, was deutlich ihr Interesse am sozial-ökonomischen Bild und Stand der Frau zeigt. Im vorliegenden Buch geht sie der Wandlung des Frauenbildes von der Verantwortung tragenden Mitverdienerin hin zur unbezahlten Abhängigen nach und stellt vor allem die Frage, wie sich das „lange Zeit alternativlose Konzept so völlig selbstverständlich und bis ins 20. Jahrhundert hinein unhinterfragt halten“ konnte.
Von der Hausmutter zur Hausfrau
Bevor Luther die „tugendsame Ehefrau“ forderte und die „natürliche“ Bestimmung der Frau als untergeordnete Ehefrau und Mutter im Laufe des 18. Jahrhunderts immer lauter propagiert wurde, wurde Frauen zwar auch Bildung und Unabhängigkeit durch ein schikanierendes Patriarchat verwehrt, aber sie trugen dennoch zum Auskommen der Familie bei. Als z.B. Dienstmägde, Ammen, in der Landwirtschaft, im familieneigenen Handwerk oder als Hausmutter waren sie fester Bestandteil der arbeitenden Bevölkerung.
Nicht zuletzt führte die Industrialisierung dazu, dass Frauen sobald sie verheiratet waren, die Aufgaben im Haus und in der Familie übernehmen mussten und so in eine vollkommene ökonomische Abhängigkeit gerieten, die in einer nahezu rechtlosen Existenz noch in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts endete.
Rulffes zeigt diesen Weg gut recherchiert und fundiert dargelegt in der wissenschaftlich gehaltenen Form einer Abhandlung auf, die allerdings gut verständlich gehalten und somit flüssig zu lesen ist. Leider ergeht sie sich öfters in Wiederholungen, vor allem, wenn sie sich beständig auf Christian Friedrich Germershausens Werk „Die Hausmutter in allen Geschäfften“, Leipzig 1778-1781 bezieht. Das kann zwar der Ausgangspunkt der Betrachtungen sein, aber es sollte nicht zum Fixpunkt werden, auf dem sie die ganze Entwicklung des veränderten Frauenbildes zurückführt.
Wenig Neues und eine unbefriedigende Antwort
Wer dieses Buch mit dem Untertitel „Geschichte einer Entwertung“ liest, dürfte an diesem Thema zumindest interessiert sein oder sich schon damit beschäftigt haben. Rulffes wird daher viel schon Bekanntes und nur wenig Neues erklären, was aber dennoch interessant ist, da sie es mit zahlreichen Fußnoten und einem anhängenden Literaturverzeichnis ergänzt. Leider hält sie sich sehr lange in den Frühphasen der Veränderung (17/18. Jahrhundert) auf, geht aber nur mit wenigen Worten auf die NS-Zeit ein, in der ein überhöhtes Bild der Frau als Gebärerin, aufopfernden Mutter und treusorgenden Ehefrau in gewollter vollkommener Abhängigkeit vom Ehemann manifestiert wurde, das danach noch Jahrzehnte in der BRD gesetzlich verankert war oder zumindest als persönliche Auffassung von Vielen (auch Frauen) lange gut geheißen wurde und das Frauenbild bis heute beeinflusst.
Der einsetzende Feminismus in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat dafür gesorgt, dass dieses Frauenbild überdacht und eine Änderung zumindest angegangen wurde. Doch auch diesen enorm wichtigen Part erwähnt Ruffkes kaum.
Mich hat vor allem die o.g. Frage nach der unverständlichen Beständigkeit dieser Entwertung der Frau interessiert. Warum ist es so schwierig, „die automatische Verknüpfung von Care- und Hausarbeit mit Geschlecht und Familienstand (Ehefrau/Mutter)“ zu hinterfragen und zu ändern? Darauf gibt die Autorin leider keine wirkliche Antwort, sondern verweist lediglich auf die Dringlichkeit den eigenen Lebensentwurf mit dem Partner auszuhandeln, ohne sich durch Einflüsse von außen manipulieren zu lassen. Doch das ist relativ unrealistisch, wenn die Politik noch immer der Wirklichkeit von arbeitenden Frauen hinterherhinkt und zu wenig für die Betreuung von Kindern tut, der Wiedereinstieg in den Job schwierig ist, Väter in Elternzeit noch die Ausnahme sind, weil die patriarchalisch begünstigte Ökonomie vielfach noch immer dem Mann ein größeres Einkommen ermöglicht und andere äußere und politische Faktoren, wie das Ehegattensplitting, eine tatsächliche und gewollte Änderung der Frauen-Wirklichkeit nicht zulässt, was Rulffes dann auch am Rande einräumt.
Fazit
Evke Rullfes fußt ihre gut verständliche Abhandlung über den Wertegang des Frauenbildes auf fundierten und ausgedehnten Recherchen. Allerdings wird dem/der Interessierten wenig Neues geboten und sogar manch Fundamentales ausgelassen. „Die Erfindung der Hausfrau“ dient daher eher zur Reflektion über das Thema und vielleicht zur Betrachtung der eigenen aktuellen oder historischen Familiensituation.
Dr. Evke Rulffes, HarperCollins
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