Die alten Obstsorten

Die alten Obstsorten
Die alten Obstsorten
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Carola Krauße-Reim
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Sachbuch-Couch Rezension vonNov 2020

Wissen

Anschauliche und gut zu lesende Texte werden durch schöne Illustrationen ergänzt und machen so aus dem Nachschlagewerk einen literarischen Genuss.

Ausstattung

Den größten Teil des Buches nehmen die Steckbriefe zu den Früchten ein mit wunderschönen Illustration und kurzen erklärenden Texten.

Ein Plädoyer für die Vielfalt

Sofia Blind ist Übersetzerin mit eigenem historischem Garten, in dem sie alte, seltene und ungewöhnliche Obstsorten kultiviert. Dieses Interesse hat zum vorliegenden Buch geführt, das nicht nur viel Wissen bereithält, sondern auch sehr ansprechend gestaltet ist. Schon das Cover erinnert an alte Nachschlagewerke zu diesem Thema und auch die wunderschön illustrierten Buchdeckelinnenseiten machen Lust auf mehr! Jedoch sollte man keine umfassende Auflistung erwarten, hier wird nur ein kleiner Teil der gigantischen Vielzahl an alten Obstsorten vorgestellt, aber das ganz hervorragend.

Die Geschichte von Apfel, Pflaume & Co

Was wir heute als ganz selbstverständlich erachten – den täglichen Apfel, den geliebten Pflaumenkuchen oder den saftigen Pfirsich – war nicht immer schon verfügbar in unseren Breitengraden. Sofia Blind erklärt in kurzen Kapiteln und sehr anschaulich beschrieben, wie der Apfel und seine Obstkollegen zu uns kamen – nämlich als Produkt aus weggeworfenen Essensresten Reisender auf der Seidenstraße. Gut für uns, dass damals schon Obst zum antiken Lunchpaket gehörte, denn so konnte es sich in Europa zuerst in Klostergärten oder royalen Parks etablieren, bevor es für das gemeine Volk zugänglich wurde. Der Generalobstbauplan von 1954 erklärte dann allerdings dem scheinbar schädlichen und ungeordneten „Sortenwirrwarr“ den Kampf und schaffte es auf höchst bürokratische Weise mit Rodungsprämien tausende Hektar Streuobstwiesen zu vernichten und dem Einzug des monokultisch produzierten Obstes Vorschub zu leisten.

Erst die ökologische Rückbesinnung auf regional erzeugtes und biologisch angebautes Obst, ändert diese Sichtweise. Die jetzt wieder propagierten Streuobstwiesen benötigen widerstandsfähige und robuste Obstsorten, die ohne Pflanzenschutzmittel und Düngung auskommen und damit einen Lebensraum für bedrohte Flora und Fauna, wie Insekten und Wildblumen bilden, in denen sie ungestört gedeihen können. 

Die Steckbriefe von Ananasrenette bis Walnuss Bijou

Den größten Teil des Buches nehmen die Steckbriefe zu den Früchten ein. Hier kommen neben Äpfeln, Aprikosen und Pfirsichen, Beeren, Birnen, Kirschen und Pflaumen auch seltenere Obstarten, wie die schwarze Maulbeere oder die Walnuss Bijou zu ihrem Recht. Man muss nicht das Buch, wie gewöhnlich, von vorne bis hinten durchlesen, die liebevoll gestalteten Doppelseiten laden vielmehr zum Schmökern und Herumblättern ein. Und dann kann man finden, was vielleicht schon einmal gegessen wurde, wie die Williams-Christ-Birne oder die Goldparmäne oder von dem man zumindest schon einmal gehört hat, wie die weiße Himbeere oder die Krachmandel. Aber auch – zumindest für mich- Unbekanntes, wie die Forellenbirne oder den Korbiniansapfel lernt man kennen und zwar nicht nur durch kurze Angaben zur Frucht oder ihren Synonymen, sondern auch durch eine stets wunderschöne Illustration und einen kurzen erklärenden Text. Dabei kann der Leser erahnen, dass es eine Vielzahl mehr an Früchten der gängigen Obstsorten gibt, als man überhaupt erahnen kann. Und zum Schluss werden auch noch einige Rezepte mitgeliefert mit denen man dann endgültig zum Obstfan wird, denn, wem ein Apfel oder eine Aprikose pur nicht reicht, macht daraus köstliches Apple Crumble, Eton Mess oder Spanisches Quittenkonfekt.

Wer mehr wissen will bekommt Tipps

Nach der Lektüre und dem eingehenden Ruf der Autorin nach mehr Diversität im Obstgarten, kann man durchaus gewillt sein, mehr über dieses Thema zu erfahren oder vielleicht sogar den ein oder anderen Obstbaum durch eine alte Sorte zu ersetzten. Auch dann hilft das Buch weiter, wenn auch nur sehr begrenzt. Im Anhang liefert die Autorin „Tipps & Adressen“, die von Obstmuseen über Obstlehrpfade bis hin zu Baumschulen, die auf alte Obstsorten spezialisiert sind, reichen. Wer hier nicht das findet, was er sucht, bekommt Adressen von Vereinen und Datenbanken an die Hand, die bestimmt weiterhelfen können. Und, wer nicht selbst zum Spaten greifen kann oder will, wird mit Sicherheit auf Wochenmärkten, bei Obstbauern oder in regionalen Läden fündig und kommt so in den Genuss der unverfälschten alten Obstsorten.

Fazit

Man muss nicht selbst einen Garten haben um Gefallen an diesem Buch zu finden. Jeder, der sich für das Thema interessiert, wird daran Spaß haben. Anschauliche und gut zu lesende Texte werden durch schöne Illustrationen ergänzt und machen so aus dem Nachschlagewerk einen literarischen Genuss, der dann vielleicht auch noch hilft den „alten Obstsorten“ das Überleben zu sichern – denn das Buch macht Appetit auf Gravensteiner, Königin Viktoria, Blutbirne & Co!

Die alten Obstsorten

Sofia Blind, Dumont

Die alten Obstsorten

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