Der Pakt gegen den Papst

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Andreas Kurth
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Sachbuch-Couch Rezension vonAug 2022

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Wie in den höchsten Kreisen der Kirche am Sturz von Franziskus gearbeitet wird

Als Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt bekannt gab, war das für viele Christen und Beobachter des Vatikans eine absolute Sensation. Öffentlich vorhergesagt hatte es allerdings Andreas Englisch, deutscher Journalist und versierter Berichterstatter aus dem Kirchenstaat. In seinem gründlich recherchierten und packend zu lesenden Buch über die Intrigen in den Fluren des Vatikans schildert der Autor, wie vor allem konservative Kreise in der katholischen Kirche daran arbeiten, auch diesen Papst zum Amtsverzicht zu drängen. Nun ist Franziskus bereits 85 Jahre alt, wird von körperlichen Gebrechen geplagt. Aber die Liste seiner Gegner und der gegen ihn gesponnenen Intrigen ist lang.

Argentinischer Papst ist vielen Amtsträgern höchst suspekt

Jorge Mario Bergoglio, so heißt Franziskus mit bürgerlichem Namen, wurde am 13. März 2013 zum 266. Bischof von Rom gewählt und ist seither das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Der Argentinier ist der erste Papst aus Südamerika und nicht nur aus diesem Grunde vielen Amtsträgern in der Kurie und darüber hinaus höchst suspekt. Für die einen ist er ein Vertreter der sogenannten Theologie der Befreiung, für die anderen ein halber Kommunist, weil er sich für die Rechte der Armen und Entrechteten einsetzt.

Franziskus will, dass sich die Priester seiner Kirche stärker den sozial Schwachen auf der Welt zuwenden, Dienst an Bedürftigen und Kranken leisten - und nicht in ihren vatikanischen Büros sitzen und theologische Probleme wälzen. Das war vor allem der Stil seines Vorgängers Benedikt XVI., des Deutschen namens Joseph Ratzinger. Der laut Englisch intrigante langjährige Chef der Glaubenskongregation hat es seinem Nachfolger auch als emeritierter Papst noch schwer gemacht, wie Andreas Englisch eindrücklich schildert.

Aber nicht nur die konservative “Partei Benedikts”, sondern auch viele Einzelpersonen, Gruppen, Orden und Organisationen haben etwas gegen diesen zwar an Jahren alten, doch in seinen Ansichten höchst modernen Papst. Das zeigt sich bei vielen Gelegenheiten, die der Autor spannend schildert, und jüngst eben auch während der Corona-Pandemie.

„Doch Franziskus blieb hart. Nach dem spektakulären ersten Ostergottesdienst zwei Wochen später im Petersdom, an dem nur zwölf Gläubige teilnehmen durften, sagte der Papst alle Messen ab. Die Gottesdienste sollten gestreamt werden. Kaum hatte der Papst das bekannt gegeben, begann überall im Vatikan das große Tuscheln, die typische versteckte Opposition gegen den Papst.“

Und genau das macht es so schwierig für das Oberhaupt aller Katholiken. Es gibt keine offene Rebellion, keinen öffentlich geäußerten Widerstand - von gelegentlichen Äußerungen Ratzingers und anderer Würdenträger einmal abgesehen. Stattdessen wird hintenherum geredet, es werden Informationen weitergegeben, und ab und zu gibt es dann auch offenen Widerspruch. Inhaltlich problematische Fragen, wie die Aussöhnung mit dem Islam, der Umgang mit Naturreligionen, die Behandlung der Homosexuellen in der Kirche, und immer wieder strittige Personalien, die Andreas Englisch akribisch und detailgenau zusammengetragen hat - all das führt zu Diskussionen, die meist eher im Verborgenen geführt werden. Die Feinde des Papstes lassen nur wenig unversucht, um ihm zu schaden und ihn am Ende vorzeitig aus dem Amt zu drängen.

Andreas Englisch ist ein guter und vor allem hervorragend informierter Journalist. Seine Informationen hat aus zahlreichen Gesprächen mit Priestern, Mitarbeitern im Vatikan, Würdenträgern, ungenannten Informanten, und auch aus Gesprächen mit dem Papst und seinen Vorgängern. Aus all diesen Fakten und Hintergrundinformationen hat er ein fesselndes, und angesichts der aktuellen Entwicklung geradezu prophetisches Buch gemacht.

Der Autor kann nicht konkret benennen, ob es einen organisierten Umsturzversuch im Vatikan gibt, aber die von ihm sorgfältig zusammengetragenen Informations-Schnipsel geben doch ein recht konkretes Bild ab. Sollte Franziskus demnächst seinen Amtsverzicht bekannt geben, werde ich kaum die Begründung glauben, es seien vor allem und überwiegend gesundheitliche Gründe, die ihn zu diesem Schritt bewegen.

Andreas Englisch hat in den Jahrzehnten seiner Arbeit als Vatikan-Korrespondent ein großes Informationsnetz mit vielen Gesprächspartnern aufgebaut, die ihm keineswegs alle wohlgesonnen sind. Aber aus diesen vielen Gesprächen saugt er Informationen heraus, sortiert sie, ordnet sie inhaltlich ein, und zeichnet damit in diesem Buch ein erschreckendes Gesamtbild. Dabei macht es sein Plauderton zum Genuss, dieses Sachbuch zu lesen und ihm in die Cafés rund um den Vatikan, in Büros und Kirchen zu folgen, um bei seinen Gesprächen gefühlt daneben zu sitzen.

Fazit

Es ist schon überraschend, dass sich ein Sachbuch über Intrigen in der katholischen Kirche teilweise spannend wie ein Thriller liest. Aber dem versierten Journalisten und Vatikan-Beobachter Andreas Englisch ist es ausgezeichnet gelungen, seine Leser nicht nur zu fesseln, sondern auch die politischen Dimensionen der Vorgänge in der Kurie und darüber hinaus deutlich zu machen. Wenn ein derart kundiger Beobachter des Vatikan seinem Buch diesen Titel gibt, ist höchste Aufmerksamkeit garantiert. Angesichts der Vorgänge um Papst Franziskus und seinen möglichen Rücktritt ist das Buch hochaktuell.

Der Pakt gegen den Papst

Andreas Englisch, C.Bertelsmann

Der Pakt gegen den Papst

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