Das Jenseits hat viele Gesichter
Der Autor und Dokumentarfilmer Edward Brooke-Hitching ist ein Interessierter an der „exzentrischen Seite des Lebens“ und ein leidenschaftlicher Sammler von Karten. In manchen seiner Bücher verbindet er diese beiden Faibles und so erschien nach z.B. „Atlas der erfundenen Orte“ und „Der Atlas des Himmels“ jetzt „Der Atlas des Teufels“, in dem er „eine Erkundung des Himmels, der Hölle und des Jenseits“ vornimmt.
Ergebnis von 10 Jahren Suche
Nachdem Brooke-Hitching 2011 eine Karte fand, die den Weg in den Himmel darstellte, stellte er sich die Frage, wie viele Landkarten dieses imaginären Ortes es wohl noch geben könnte – und schon begann eine Suche, die 10 Jahre später mit vorliegendem Buch endete. Der Titel „Der Atlas des Teufels“ ist dabei etwas irreführend, denn Brooke-Hitching geht vor allem auf die unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen an sich ein und widmet sich dabei dem titelgebenden Teufel hauptsächlich als dort unabdingbar notwendige Figur. Jedoch kann man dagegen „Atlas“ streckenweise durchaus wörtlich nehmen, denn Künstler schufen nicht nur zahlreiche Abbildungen des Jenseits, es wurden auch Versuche unternommen, diese Welt nach dem Tod zu ordnen, zu vermessen und zu verorten. So werden auf detaillierten Karten z.B. der Garten Eden als „eine Art Naturschutzgebiet südlich der Vereinigung von Euphrat und Tigris betrachtet“ oder die Hölle einmal als Mittelpunkt des Universums gesehen oder im Inneren der Sonne vermutet.
Texte und Abbildungen ergänzen sich
Die Texte versprühen den ganz eigenen Charme des Autors. Immer detailreich informativ, mit akribisch erforschten Inhalten und kaum eine Frage offenlassend, sind sie auch oft regelrecht humorvoll und durchaus spannend zu lesen. Sie ergänzen die unglaublich vielen Abbildungen mit ihren Erklärungen und Hinweisen, zeigen Besonderheiten und bieten vor allem eine Flut an Informationen, die kaum alle zu fassen sind. Dabei wird deutlich, dass Jenseitsvorstellungen kulturell geprägt sind, wie u.a. die „Weltesche Yggdrasil“ der nordischen Mythologie oder das Rad des Lebens in der buddhistischen Religion und natürlich die Vorstellung des Jenseits im christlichen Glauben.
Doch auch historisch unterlagen diese Vorstellungen Wandlungen – wer den Himmel betreten durfte, konnte sich schnell ändern, wie z.B. das Gemälde „Die Seelenfischer“ von Adriaen Pietersz von 1614 zeigt, in dem die Protestanten eindeutig einen Vorteil vor den Katholiken besitzen, die sich auf der falschen Seite des trennenden Flusses befinden. Und auch die Figur des Teufels änderte sich, ganz im Sinne der Kirche; vom gefallenen Engel zum Gehörnten mit Schwanz und Tierhuf. Brooke-Hitching bezeichnet den „Widersacher Christi“ als „älteste Verschwörungstheorie der Welt“.
Lesen, schmökern, staunen
Selbst wenn das Jenseits in unserer heutigen Welt eine eher untergeordnete Rolle spielt, die Angst vor dem Fegefeuer weniger brennend ist und die Erlangung der Freuden des Himmels nach dem Tod nicht so zentral scheint, wie zu anderen Zeiten, macht die Betrachtung dieser religiös wichtigen Orte von Wohlwollen und Verdammung Spaß.
Brooke-Hitching liefert unendlich viele Fotos von Gemälden, Fresken, Karten und Skulpturen, von denen man vielleicht sogar einige bereits kennt. Doch jetzt hat man, anders als vor Ort, die Ruhe und die Zeit sie genau zu betrachten – und da sie oft überbordend detailreich sind, findet man garantiert immer Neues und Spannendes – vom Satan, der Schenkel verschlingt bis kartenspielende Teufel und Fischen mit Armen ist alles möglich. Schon das Schmökern und Durchblättern des Buches ist unglaublich lehrreich, wenn man sich dann die Texte (vielleicht auch nur selektiv zu den Abbildungen ausgesuchte) durchliest, erfährt man unglaublich viel, was nicht nur religiöse Menschen interessieren dürfte.
Fazit
„Der Atlas des Teufels“ vermittelt mit unzähligen Abbildungen und detailreichen Texten die unterschiedlichen Vorstellungen vom Jenseits und die historische Wandlung der Figur des Teufels. Die Leserschaft wird eingeladen zum Schmökern, Schauen und Staunen und zum Nachdenken über das Leben - „So erscheint auch das Leben des Menschen nur kurze Zeit, aber von dem, was kommt, und von dem, was vorausging, wissen wir gar nichts.“
Edward Brooke-Hitching, Knesebeck
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