BARCA

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Thomas Gisbertz
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Sachbuch-Couch Rezension vonApr 2024

Wissen

Das Buch überzeugt mit der informativen Verknüpfung von Fakten, Stimmen der Beteiligten und Wertungen des Autors.

Ausstattung

Neben einer umfangreichen Bibliografie, die sich zur individuellen Recherche anbietet, verfügt das Buch im Mittelteil über einige ausgewählte Fotografien.

Ein absolutes Muss für jeden Fußballfan!

Der FC Barcelona ist mit 250 Millionen Fans in den sozialen Medien und vier Millionen Besuchern im Stadion „Camp Nou“ pro Jahr einer der größten und beliebtesten Fußballvereine weltweit. Seine Spieler und Trainer wie Johan Cruyff, Pep Guardiola, Ronaldinho oder Lionel Messi haben die Entwicklung des modernen Fußballs entscheidend geprägt. Der 1899 vom Schweizer Hans Gamper gegründete Verein ist bis heute im „Besitz“ seiner über 150.000 Mitglieder. Darüber hinaus steht der FC Barcelona wie nichts Vergleichbares für die Identität Kataloniens und zählt nicht nur deswegen zu den einflussreichsten Vereinen Spaniens. Daher ist es kein Wunder, dass das Vereinsmotto „Més que un club“ (katalanisch für: Mehr als ein Verein) lautet. Aber das war nicht immer so. Der Niederländer Simon Kuper zeigt mit seinem preisgekrönten Buch auf, wie in den letzten 30 Jahren aus einem katalanischen Fußballverein eine globale Marke und soziales, kulturelles und politisches Phänomen wurde. Er beschreibt die Arbeit der Trainer, Mediziner, Datenanalysten und Ernährungswissenschaftler, die die Sportwelt revolutioniert haben. Und er untersucht den enormen Einfluss der beiden größten Legenden des Vereins, Johan Cruyff und Lionel Messi.

Über Aufstieg und Fall eines großen Vereins

In den letzten Jahren sind einige Dokumentarfilme und -serien über den Klub erschienen (u.a. „Matchday - Inside FC Barcelona“, 2019) und nicht wenige Bücher geschrieben worden. Waren „Barca oder: Die Kunst des schönen Spiels“ (2013) von Dietrich Schulze-Marmeling und vor allem „Barça: Die Entdeckung des schönen Fußballs“ (2016) von Roland Reng, die sich mit dem (fußballerischen) Höhepunkt des Vereins beschäftigen, bereits hervorragende Sportbücher, so überragt Simon Kupers Buch alles bisher dagewese nochmals deutlich. Dies hat zwei Gründe: Zum einen ist Kupers „Barça“ keine Lobhudelei über den FC Barcelona. Stattdessen ermöglicht er einen faszinierenden Blick hinter die Kulisse dieses großen Vereins. Der Autor spricht dabei ebenso mit Spielern und Trainern, wie mit den Menschen, die für den Verein arbeiten. Kuper geht der Frage nach, ob der FC Barcelona wirklich „Mehr als ein Klub“ ist und worin seine große Strahlkraft liegt. Ebenso sucht er aber auch nach Gründen, warum der Klub, der von 2006 bis 2015 viermal die UEFA-Champions League gewann und den europäischen Fußball mit seiner Spielweise dominierte, nun vor dem finanziellen Kollaps steht.

Zum anderen ist das Buch weit davon entfernt, lediglich altbekannte Fakten aneinanderzureihen. In drei Jahrzehnten Recherchearbeit hat der Niederländer, der unter anderem für die „Financial Times“, „DIE ZEIT“ und die „Weltwoche“ arbeitete und mit seinem Buch „Football Against the Enemy“ mit dem William Hill Sports Book of the Year Award ausgezeichnet wurde, viel Wissenswertes, so manche Anekdote, unzählige Notizen und interessante Gespräche zusammengetragen, um das System „Barça“ zu erklären.

Über Cruyff und Messi

Zunächst geht Kuper im ersten Teil seines Buches, das im Verlag EDEL Sports erschienen ist, auf die Geschichte des Vereins und die Frage, wie dieser überhaupt strukturell aufgebaut ist, ein. Der wirkliche Aufstieg des Vereins beginnt aber - nicht nur für den Autor - mit dem „Architekten“ des Klubs: Johan Cruyff. Mit seinem Wechsel 1973 von Ajax Amsterdam zum FC Barcelona sollte die Geschichte Barças neu geschrieben werden. Den zweiten Teil widmet Kuper dem Einfluss, den der große niederländische Fußballer als Spieler und Trainer auf den Verein hatte und der bis heute die Spielweise des FC Barcelona prägt. Der dritte Teil des Buches befasst sich mit der Goldenen Ära des FC Barcelona von 2008-2015 und rückt dabei besonders die Rolle des argentinischen Weltklassespielers Lionel Messi in den Mittelpunkt. Besonders faszinierend sind hier Schilderungen von Mitspielern, Trainern und Betreuern, die versuchen, das Phänomen „La Pulga“ zu erklären. Anschließend geht es um „La Masia“, die Jugendakademie des Vereins, und die Frage, wie der Klub Talente erkennt, fördert und immer wieder in das Profiteam integriert. Zum Schluss versucht Simon Kuper Antworten zu geben, warum die große „Kathedrale FC Barcelona“ ab etwa 2019 zu bröckeln begann und seit vielen Jahren um das finanzielle Überleben kämpft.

Über Stars und Angestellte

Das Buch bereitet ein besonderes Lesevergnügen, da Kuper einfach sehr nach dran ist am Verein. Diese Nähe, die zahlreichen Anekdoten (zum Teil auch Tratsch) und faszinierenden Details geben einen bislang nie dagewesenen Einblick in den großen Verein. Auch weil Kuper den Blick auf den Klub weitet, indem er u.a. auch mit Vertretern anderer Sportabteilungen spricht, entsteht ein gewaltiges Panorama aus Sport, Politik, Soziales und Privates, das auf keiner einzigen der über 440 Seiten langweilt. Dabei berichtet Kuper ebenso über Außergewöhnliches wie Alltägliches aus der Welt des FC Barcelona. Genau dies macht den besonderen Reiz des Buches aus.

Fazit

„Barça - Aufstieg und Fall des Klubs, der den modernen Fußball erfand“ von Simon Kuper ist mehr als nur eine weitere Vereinsgeschichte und setzt neue Maßstäbe im Bereich der Sportbücher. Trotz großer Leidenschaft für den Verein feiert der Autor diesen nicht überschwänglich, sondern bleibt bei aller Nähe und Neugierde stets kritisch und frei von Illusionen. Kuper ist ein großartiges, ungemein faszinierendes Buch gelungen. Eine absolute Pflichtlektüre für Fußballfans.

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