Auf Schwingen um die Welt

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Auf Schwingen um die Welt
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Julian Hübecker
9101

Sachbuch-Couch Rezension vonSep 2022

Wissen

Breitgefächert und locker erzählt.

Ausstattung

Fotos und Karten bereichern den Text.

Einmal um die Welt und zurück

Der Vogelzug ist ein Phänomen, das bis heute noch nicht vollends entschlüsselt wurde. Zugvögel ziehen oft tausende von Kilometern von einem Ort zum anderen, bauen Organe ab, um Energie zu gewinnen, und nehmen vorher ein Vielfaches an Gewicht zu, um die strapaziöse Reise zu überstehen. Das sind nur wenige der Meisterleistungen, die diese Vögel vollbringen und die in diesem Buch fachlich und informativ beschrieben werden.

„Wenn Forschende herausfinden wollten, wohin Vögel zogen, hatten sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang nur ein Mittel: Sie brachten an den Beinen leichte, nummerierte Ringe an und hofften darauf, dass irgendjemand den beringten Vogel sah und darüber berichtete.“

Jedes Jahr ziehen Milliarden von Vögeln in ihre Brutreviere, um dort zu nisten und ihre Jungen aufzuziehen, und anschließend wieder zurück. Wo viele von ihnen überwintern oder brüten ist bis heute unbekannt. Daher ist gerade in diesem Forschungsfeld die internationale Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von enormer Bedeutung. Scott Weidensaul ist ein bekannter Ornithologe, der unter anderem das Zugverhalten bestimmter Greifvögel untersucht hat. Er ist weltweit vernetzt und nimmt mit auf eine Reise, die zwar noch viele Geheimnisse birgt, aber umso faszinierender erscheint.

Dabei bedient sich Weidensaul seiner fünfjährigen Forschungsarbeit, die ihn um die ganze Welt geführt hat. Es zieht ihn nach China, wo die Marschgebiete der Ostküste wichtige Rastplätze für Zugvögel darstellen, die aber immer mehr vom Menschen erschlossen werden. Hoch bedrohte Arten wie der Löffelstrandläufer oder der Tüpfelgrünschenkel verlieren damit wichtige Zwischenstationen, um einmal „vollzutanken“ – heißt: sich ordentlich den Bauch mit Wattwürmern und Muscheln vollzuschlagen.

Es geht auch nach Zypern, wo noch immer hunderttausende Singvögel mit grausamen Leimruten gefangen werden, um sie im Kochtopf verschwinden zu lassen. Verschiedene Waldsänger-Arten ziehen von Nordamerika nach Mittel- und Südamerika, wobei ihre Überwinterungsgebiete, die tropischen Wälder, bekanntermaßen an Fläche verlieren. Spannend ist auch Weidensauls Ausflug nach Nagaland in Ostindien, wo zehntausende Amurfalken Rast machen und für die größte Ansammlung von Greifvögeln sorgen. Das sind nur wenige Beispiele von Vogelarten, die alljährliche Anstrengungen unternehmen und Autor wie auch Leserinnen und Leser begeistern.

Mit Begeisterung erzählt

Auf Schwingen um die Welt ist nicht Weidensauls erstes Werk: Insgesamt mehr als 30 Bücher gehen auf sein Konto, wovon eines, Living on the Wind: Across the Hemisphere with Migratory Birds, ganz nah am Pulitzer-Preis entlanggeschrappt ist. Dabei gibt es bereits viele Bücher über die Wanderökologie von Tier- und insbesondere Vogelarten. Doch Scott Weidensaul erzählt deren Geschichte mit so viel Begeisterung und Ehrfurcht, dass man sich allzu schnell anstecken lässt. Die 10 Kapitel plus Prolog und Epilog lesen sich leicht und faszinierend. Er berichtet von der Geschichte der Erforschung von Zugvögeln, mit welchen körperlichen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, wie der Mensch ihnen zusetzt und welche Geheimnisse sie noch verbergen. Dabei ist es aber kein stakkatoartiges Herunterleiern, sondern ein Buchstabenfluss, der sich durch die Seiten schlängelt.

Mittig im Buch sind einige Fotos zu finden, die inhaltlich zum Rest passen. Auch wenn ich eher ein Freund davon bin, die Fotos im Fließtext zu integrieren, so entschädigen die zahlreichen Karten, die hier zu finden sind. Darauf sind ausgewählte Wanderbewegungen einiger Vogelarten zu sehen, die im Text ihre Entsprechung haben; so werden Zusammenhänge schnell klar und ist der Informationsgehalt ohne gleichen. Wer mehr über die „globale Odyssee der Zugvögel“ erfahren möchte, wird zugreifen müssen!

Fazit

Scott Weidensaul weiß einfach seine Begeisterung weiterzutragen und von der Biologie der Zugvögel zu erzählen. Dabei sind Informationen und Anekdoten eng miteinander verknüpft, sodass keine Langeweile aufkommt, sondern nur der Wunsch, noch mehr zu erfahren.

Auf Schwingen um die Welt

Scott Weidensaul, hanserblau

Auf Schwingen um die Welt

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