Es war einmal die Katze - die Weltgeschichte aus der Sicht der Felidae
Die Beziehung zwischen dem Menschen und der Katze hat eine jahrtausendalte Tradition. In der menschlichen Geschichtsschreibung finden Katzen jedoch wenig Erwähnung. Die Katze Baba macht es sich zur Aufgabe, dieses für sie eindeutige Manko der Geschichtsbücher zu korrigieren und damit die bedeutsame Rolle der Katze im Verlauf der Weltgeschichte darzulegen. Mit ihren Leser*innen begibt sie sich auf eine samtpfotige Reise durch die gemeinsame Vergangenheit.
Siegeszug der Katzen über Kontinente und Meere
Der Ausgangspunkt des Wegs durch die Geschichte ist Nordafrika zusammen mit dem Nahen Osten, wo in der Jungsteinzeit der Grundstein für das symbiotische Miteinander von Katze und Mensch gelegt wurde. Der Mensch wurde mit dem Beginn des Getreideanbaus sesshaft. Die ersten Siedlungen entstanden, deren Kornspeicher Mengen von Ratten und Mäusen anzogen, denen die Bauern alleine nicht Herr werden konnten. Anders eine Felis, eine prähistorische Wildkatze, die die Nager als Beutequelle für sich entdeckte und für den Menschen zum hilfreichen Schädlingsbekämpfer avancierte. Über die nächsten Jahrhunderte hinweg „mauserte“ sich, was als Win-Win-Situation begonnen hatte, zu einer freundschaftlichen Beziehung von Mensch und Katze, die von nun an gemeinsam unter einem Dach lebten.
Mit der Zivilisation der Ägypter bekam diese Zweisamkeit etwa 4000 v. Chr. eine neue Dimension. Denn neben ihrer Qualität als Jäger der ernteschädlichen Nager wiesen die Menschen den Katzen mit ihren feinfühligen Sinnen übernatürliche Fähigkeiten zu. Sie wurden zum Schutzpatron erklärt und als Gottheit verehrt. Felis Siegeszug setzte sich fort und führte sie in die Gebiete östlich von Ägypten sowie durch die Sahara bis nach Zentralafrika. Im Gepäck von Händlern gelangten Katzen auf alten Handelswegen, die durch ganz Zentralasien führten, in Länder in denen Hauskatzen bisher unbekannt gewesen waren und wurden auch dort frenetisch begrüßt. Für Indien belegen Sanskrittexte ebenfalls die Kenntnis von Katzen seit Jahrtausenden. Einmal auch in China angekommen und beheimatet, nahmen chinesische Mönche die Felidae um das 6. Jahrhundert n. Chr. als letzte Station der erfolgreichen Ausbreitung in Asien mit nach Japan.
Abstieg und Wiedererstarken des Katzenreiches
Die Katzen-Eroberung Europas war da schon lange zuvor erfolgt. Die Besiedlung des nördlichen Mittelmeerraums wurde von dem Seefahrervolk der Phönizier um 700 v. Chr. eingeleitet. Die triumphale Ausdehnung des Katzenimperiums auf europäischem Boden steuerte ab 400 n. Chr. jedoch auf eine Tragödie zu, von denen die Katze sich nach tiefem Fall erst nach langer Zeit wieder erholen sollte. Die zunehmende Christianisierung brachte die Verteufelung jedweder abweichenden Spiritualität mit sich. Die Wucht der gnadenlosen Verfolgung und Ermordung Andersgläubiger traf auch die Felidae als deren verfemte Begleiter. Ab dem Ende des 12. Jahrhunderts loderten im Mittelalter die Scheiterhaufen in ganz Europa, auf denen mit Ketzern und Hexen auch die Katzen verbrannten.
Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Prozess der Wiedergutmachung eingeläutet. Ausgehend von Frankreich über Deutschland und England erlangte die Katze nicht nur ihren Status als Mäusejäger Nr.1 zurück, sie erkämpfte sich dank der Anerkennung von Adel und Künstlerkreisen auch wieder einen Platz im Herzen der Menschen. Diese zurückgewonnene Beliebtheit wurde im 19. Jahrhundert zum Ticket für die letzte große Etappe der Felidae-Welteroberung. Gemeinsam mit den menschlichen Auswanderern machten sich die Katzen auf in die Neue Welt, um auch auf dem amerikanischen Kontinent, mit der Erschließung der Vereinigten Katzenstaaten von Amerika, weiter an ihrer Erfolgs-History zu schreiben.
Lebens-Ansichten der Katze Baba
Sprechende oder schreibende Katzen sind in der Belletristik keine Seltenheit. Die Autorin Tigerkatze Baba macht sich diese Gepflogenheit nun auch im Genre Sachbuch zu eigen und meldet sich unterstützt von ihrem Menschen, dem Kunsthistoriker Paul Koudounaris, zu Wort, um die Felidae aus ihrem historischen Schattendasein ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit zu holen. Den mit vielen realen Geschehnissen und Fakten versehenen Geschichtsabriss quer durch die Jahrtausende ergänzt Baba mit Anekdoten berühmter Katzenpersönlichkeiten und Fun-Facts. Ihre Beschreibung lässt das goldene Zeitalter der Katze unter den Ägyptern aufleben, erinnert an die Herkunft des Namens aus dem griechischen oder erklärt die Entstehung von Katzenrassen wie Siam und Burma.
Die Tigerkatze erzählt, warum die Katze als Tier im chinesischen Horoskop fehlt, wem die japanische Glückskatze zuwinkt oder erinnert an Katzen, die zu Land, zu Wasser oder in der Luft auf unterschiedlichste, teils fragwürdige Weise bekannt geworden sind. Neben vielen kurzweiligen und berührenden Passagen erspart Baba ihren Leser*innen dabei auch nicht authentische Szenen der grausamen Verfolgung und Tötung ihrer Artgenossen.
Als gebürtige Amerikanerin widmet sie, ganz Patriotin, dem Neuanfang auf ihrem Heimatkontinent ein sehr ausführliches Kapitel. Im Umgang mit den indigenen Bewohnern bleibt sie hier bedauerlich unkritisch, wenn sie die Katzen als kameradschaftliche Begleiter der heroischen Siedler im „Wilden Westen“ versteht. Generell kippt Babas Darstellung nicht selten in eine etwas störende Selbstgefälligkeit mit befremdlichen Schlussfolgerungen.
Katzen-Geschichtsstunde in Wort und vielen Bildern
Der großformatige Band ist hochwertig aufgemacht. Neben der illustrierten Seitengestaltung wird der Text von zahlreichen Fotos und Bildmaterial begleitet. Leider nicht zum positiven Gewinn des Gesamteindrucks. In ihrem Vorwort grenzt sich Autorin Baba noch von der Zurschaustellung vieler Katzen in Modell-Manier via Internet und Social Media ab, um dann in ihrem Buch selbst in unsäglicher Weise zu posen. Im besten Fall mag man ihrem menschlichen Co-Autor Koudounaris Glauben schenken und hoffen, dass Baba die Fotoshootings in extra angefertigten Kostümen begeistert absolviert hat. Die Porträts, auf denen die Tigerkatze derart vermenschlicht ausstaffiert von Pharao bis Uncle Sam erscheint, wirken jedoch oft nur lächerlich. Jedem Buchkapitel folgen einige Seiten mit Ablichtungen von Zeitungsartikeln, Denkmälern oder zeitgenössischen Bildern. Eine höhere Gewichtung zugunsten dieses Originalmaterials wäre für Babas Buch wesentlich bereichernder ausgefallen.
Fazit
Das Felidae-Geschichtsbuch der Tigerkatze Baba liest sich passagenweise informativ und unterhaltend. Unter dem Katzenschwanz wird die Autorin ihrem eigenen selbst- und standesbewussten Anspruch jedoch nur bedingt gerecht. Die Umsetzung der Idee, ihrer Art adäquates Ansehen zu verschaffen, verpufft, da sie sich letztlich nicht vom Vergleich zur Geschichte des Menschen lösen kann. Ihrem menschlichen Beziehungs-Partner im Grunde nicht wirklich schlechtgesonnen, resultiert daraus ein zuweilen disharmonisches Pro-und Contra.

Paul Koudounaris, Baba, die Katze, Benevento
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