Biografie eines außergewöhnlichen Lebens
Die Historikerin Karin Feuerstein-Praßer scheint vor allem an Frauenschicksalen Interesse zu finden. Ihre Publikationen drehen sich oft um bekannte historische Frauen, die zwar privilegiert waren, aber dennoch nicht unbedingt glücklich, wie Elisabeth Christine, die Frau Friedrich des Großen oder eben Alice von Battenberg. Feuerstein-Praßers Biografien sind leicht lesbar und gut verständlich für ein breites Publikum geschrieben, erheben nicht den Anspruch einer umfänglichen wissenschaftlichen Arbeit und sind somit ideal, um sich mit einer Persönlichkeit bekannt zu machen. Wer weitere Recherchen betreiben möchte, erhält im Anhang erste Hinweise zu Quellen und Literatur.
Verwirrende Verwandtschaftsverhältnisse
Es hat den Anschein, als sei der Hochadel ein Hotspot der Inzucht – hier scheint jeder mit jedem verwandt zu sein und Ehen zwischen Cousin und Cousine eher die Regel als die Ausnahme. So auch bei Alice von Battenberg, die sowohl u.a. mit dem deutschen Kaiserhaus, dem schwedischen, englischen als auch dem russischen Königshaus mehrfach verwandt war. Durch ihre Heirat mit einem griechischen Prinzen war sie mit dem rumänischen und noch einmal dem russischen verschwägert.
Diese komplizierten Verhältnisse mit unzähligen, oft dazu noch gleichen oder ähnlichen Namen, versucht die Autorin aufzudröseln. Dabei sind die anhängenden Stammbäume eine unschätzbare Hilfe und machen den etwas schwierigen Einstieg in das Leben der Alice von Battenberg für den Leser wesentlich einfacher. Auch die zwangsläufige Erwähnung der europäischen Geschichte zu Lebzeiten Alices, ganz besonders die Probleme in Griechenland, lassen sich anhand der Genealogien besser nachvollziehen. Ein tabellarischer Lebenslauf von Alice und (leider zu wenige) Fotos ergänzen den Text. Es braucht also nicht einer tieferen Vorkenntnis vom Adel oder der Geschichte Europas, um sich in dem Buch zurecht zu finden. Die Autorin vermittelt selbst den kompliziertesten Zusammenhang sehr gut verständlich und dazu nie wissenschaftlich ausschweifend, sondern immer auf den Punkt gebracht.
Vom glücklichen Kind zur traumatisierten Geflüchteten
Alice wurde am 25.2.1885 auf Schloss Windsor geboren. Sie entstammte dem Haus Hessen-Darmstadt, war aber durch ihre Mutter die Urenkelin von Queen Victoria und die Nichte der letzten Zarin Alexandra sowie der russischen Großfürstin Elisabeth.
Die kleine Alice war anscheinend ein ebenso hübsches wie auch intelligentes Kind, denn von Geburt an fast taub, konnte sie Worte von den Lippen ablesen und das in Deutsch, Englisch, Französisch und später auch Griechisch! Im Laufe ihres Lebens erlebte Alice viel Glück aber auch viel Leid. Sie heiratet ihre große Liebe, Andreas von Griechenland, bekommt fünf Kinder und genießt das Leben. Doch die Balkankriege und der 1. Weltkrieg traumatisieren sie: Ihre russische Verwandtschaft wird ermordet, sie muss mehrmals aus Griechenland fliehen, erkrankt an Schizophrenie und muss lange Jahre dubiose Therapien und die Trennung von ihrer Familie ertragen.
Als sie halbwegs gesundet wieder ins Leben entlassen wird, sind ihre Töchter bereits verheiratet, ihr einziger Sohn, Philip, in England und ihr Mann trennt sich von ihr. Völlig mittellos ist sie abhängig von den Zuwendungen betuchter Verwandter. Während des 2. Weltkrieges hilft sie in einer Athener Suppenküche und versteckt eine jüdische Familie in ihrem Haus – was ihr 1993 post mortem die Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“ der Gedenkstätte Yad Vashem zu teil werden lässt.
Vielleicht durch ihre verstorbene Tante Elisabeth animiert, gründet Alice eine Schwesternschaft, die allerdings aufgrund des ständigen Geldmangels nicht erfolgreich ist. Dennoch kleidet sich die griechische Prinzessin von nun an wie eine Nonne und lebt später, bis zu ihrem Tod am 5.12.1969, im Buckingham Palace in gewollter Bescheidenheit.
Eine äußerst bemerkenswerte Frau
Vielleicht liegt es an dem derzeitigen, durch die Serie „The Crown“ und dem „Megxit“, gesteigerten Interessen am englischen Königshaus, dass in letzter Zeit vermehrt Bücher mit diesem Hintergrund erscheinen. Aber, selbst wenn die vorliegende Biografie dieser Welle zu verdanken wäre, ist es nicht die schlechteste Veröffentlichung dieser Art: Karin Feuerstein-Praßer zeichnet ein ebenso bemerkenswertes, wie tragisches Leben, das heute weitgehend vergessen ist.
Doch Alice von Battenberg sollte in Erinnerung bleiben, nicht als Schwiegermutter der Queen, sondern als Beispiel für unbändigen Lebenswillen und selbstloses und konsequentes Handeln. Sie verkörpert den Untergang des Adels in Deutschland und Griechenland, war gleichzeitig Zeitzeugin einer einschneidenden und alles verändernden Zeit, und das immer im Hintergrund und sehr bescheiden.
Damit ist dieses Buch nicht nur etwas für Fans der Royals, sondern auch für Leser, die mehr über starke Frauen erfahren wollen oder einfach an einem kleinen. personalisierten Ausschnitt der jüngeren europäischen Geschichte interessiert sind.
Fazit
Übersichtlich – fesselnd – gut geschrieben. Das sind die Stichworte zu dieser Biografie von Karin Feuerstein-Praßer über Alice von Battenberg, die zwar populärwissenschaftlich angelegt ist, aber dennoch dem Leser das Leben dieser bemerkenswerten Frau anschaulich nahebringt.
Karin Feuerstein-Praßer, Piper
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