Die Unbeugsamen
Film-Kritik von Carola Krauße-Reim (02.2022) / Titelbild: © Majestic Home Entertainment
Der steinige Weg deutscher Parlamentarierinnen
Frauen in der Politik - für viele längst überfällige Normalität, für andere immer noch ein gewöhnungsbedürftiger Umstand. Torsten Körner beschreibt in „Die Unbeugsamen“ das Leben von Parlamentarierinnen in der Bonner Politik von Marie-Elisabeth Lüders bis Angela Merkel. Der Film hatte am 16.8.2021 in Anwesenheit von Kanzlerin Merkel Premiere, entwickelte sich im Folgenden zum „erfolgreichsten Dokumentarfilm der letzten Jahre“, wurde 2021 mit dem Gilde-Filmpreis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet und stand auf der Auswahlliste für den Oscar 2022 in der Kategorie „Bester internationaler Film“.
„Was soll ich kochen und was soll ich anziehen“…
das sollten laut einem Reporter in den 50-Jahren die beiden einzigen Fragen sein, die sich eine Frau stellen sollte. Obwohl im Grundgesetz die Gleichheit der Geschlechter steht, herrschte immer noch das patriarchalische Prinzip mit der Vorherrschaft des Mannes, das nicht zuletzt als politische Legitimation für einen von einer reinen Männerriege geführten Staat benutzt wurde.
Doch der Weg von Frauen in die Bonner Politik ließ sich nicht aufhalten und so stellte Dr. Elisabeth Schwarzhaupt als 1. deutsche Ministerin einen Journalisten vor eine entscheidende Frage: „Wie soll ich Sie anreden – mit „Frau Minister“ oder Frau Ministerin“?“ Viele andere Frauen folgten und „den Herren in schwarz“ dämmerte es langsam, dass ihre Tage der Alleinherrschaft gezählt waren. Als Angela Merkel zur ersten Kanzlerin gewählt wurde, waren die Zeiten vorbei, in denen Frauen nur als dekoratives Element in der Politik gesehen wurden.
Von Elisabeth Schwarzhaupt bis Petra Kelly
Der Film ist eine gelungene Mischung aus Rückblicken in Parlamentsdebatten oder Filmbeiträgen aus der Bonner Politik und aktuellen Interviews mit den damals aktiven Politikerinnen. Körner lässt ehemalige Abgeordnete aller Parteien zu Wort kommen. Renate Schmidt, Herta Däubler-Gmelin, Ursula Männle, Rita Süßmuth oder Hildegard Hamm-Brücher und Ingrid Matthäus-Maier erzählen aus ihrer Zeit im Deutschen Bundestag, genauso, wie die Grünen-Politikerinnen Christa Nickels, die verstorbene Petra Kelly und Waltraud Schoppe. Gerade die grünen Politikerinnen schafften es mit ihrer ersten rein weiblichen Fraktionsspitze, in den Debatten um den §218 oder den Nato-Doppelbeschluss die Männer im Bundestag gegen sich aufzubringen, indem sie z.B. die Vergewaltigung in der Ehe ansprachen oder meinten: „Deutschland braucht keine neuen Raketen, Deutschland braucht neue Männer!“
Sexismus macht auch vor „dem hohen Haus“ nicht halt
Was diese Pionierinnen der deutschen Politik geleistet haben, ist fast schon übermenschlich, denn die Übergriffe ihrer männlichen Kollegen beschränkten sich keineswegs nur auf verbale Attacken. Wenn Richard Stücklen oder Heiner Geissler die männliche Arroganz eindrücklich zur Schau stellen und Politikerinnen berichten, dass Sexismus von unangemessenen Bemerkungen bis hin zu Po- und Busengrapschereien an der Tagesordnung waren, ist das schon schlimm genug.
Wenn dann aber auch noch davon berichtet wird, dass Frauen nach einem solchen Übergriff gezwungen waren „diplomatisch“ damit umzugehen, um nicht von den Männern politisch kaltgestellt zu werden, ist das mehr als beschämend. Ganz besonders gilt das auch für den Schluss des Films, in dem gezeigt wird, dass der Kampf für Gleichberechtigung auf Führungsebenen und im familiären Leben, um gleiche Bezahlung und gleiche Bildungschancen noch immer nicht beendet ist.
Sehenswert für alle Generationen
Torsten Körner zeigt ebenso informativ, wie spannend und kurzweilig den steinigen Weg deutscher Parlamentarierinnen. Sehenswert ist dieser Film für alle Generationen: für die jüngere, für die Frauen in der Politik Alltag ist und die sich eine reine Männerriege in Schwarz wahrscheinlich nicht vorstellen können; für ältere Semester, die zwar den, gerade von den Grünen und ihrem damals absolut ungewöhnlichen Stil, eingeläuteten Wandel in der Politik miterlebt haben, aber den wirkliche Kampf der Frauen im Parlament gegen Sexismus und Arroganz wahrscheinlich weniger wahr nahmen; und der Generation der Frauen und Männer, für die das patriarchalische Weltbild Fundament für das tägliche Leben war und die den Kampf um Gleichberechtigung teilweise heute noch für überzogen halten.
Der Film dokumentiert und ist gleichzeitig ein Plädoyer sich einzumischen, wenn „Feminismus“ wieder zum Schimpfwort wird und eine MeToo-Bewegung nötig ist um auf alltäglich erlebten Sexismus aufmerksam zu machen.
Fazit
„Die Unbeugsamen“ ist ein Dokument über die Pionierinnen in der deutschen Politik, die sich gegen den herrschenden Sexismus und die Übermacht der Männer im Parlament zu behaupten wussten und den Weg für nachfolgende Generationen von Frauen in die Politik geebnet haben. Ein Film, dessen Aussage heute noch genauso aktuell ist, wie in den Anfängen der Bundesrepublik – für alle Generationen absolut sehenswert!
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